Eine Erklärung für die allmähliche Verbreitung des Münzgeldes und die Fluktuation der verschiedenen Münzarten muss zunächst in der kulturellen und politischen Entwicklung gesucht werden. Geldproduktion und ‑verteilung ist nämlich eine rein staatliche Angelegenheit. Ein solcher Akt erfordert ein Minimum an politischer Organisation, ohne das die regelmäßige Herstellung identischer Stücke wie Münzen unter dem Schutz einer anerkannten Autorität gar nicht möglich wäre. Er setzt vor allem einen ausgereiften Herrschaftsbegriff und eine ebensolche Vorstellung vom Fürsten als Hüter der Ordnung und des Maßes voraus. Es muss allgemein gebilligt sein, dass ihm das Recht zusteht, dem Volk ein einheitliches Maß vorzuschreiben, wie es im Sinne einer geregelten Abwicklung der Geschäft erforderlich ist. Genau wie die Justiz ist die Münzprägung eine Einrichtung des öffentlichen Friedens, eine Emanation der Person, die auf Grund ihrer erhabenen Amtswürde den Auftrag hat, die sichtbare Welt in einer harmonischen und heilbringenden Wechselbeziehung mit Gottes Vorsehung in Einklang zu bringen. Diese oberste Mission, die Sorge für Frieden und Gerechtigkeit, oblag dem Kaiser. Lange Zeit wurde überhaupt nur der Kaiser für fähig gehalten, sie zu erfüllen. In den Anfängen des frühen Mittelalters wurden deshalb in Europa ausschließlich solche Münzen benutzt, die auf der einen Seite das Bild des Cäsars trugen. Der zunehmende Rückgang dieser Geldstücke und das Neuaufkommen solcher, die im Namen der “Barbarenkönige” ausgegeben wurden, ging mit dem allgemeinen Akkulturationsprozess einher, der die Barbarei unmerklich in die vom Römertum ererbten politischen Strukturen einfügte.
Quelle: Krieger und Bauern. Die Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft im frühen Mittelalter, Autor: Georges Duby