Mehr Ein­kom­men, aber nicht mehr Ver­mö­gen – das Phä­no­men der Lebens­stil-Infla­ti­on zeigt, war­um der Auf­stieg oft nur eine Illu­si­on ist. Was Thor­stein Veblen als demons­tra­ti­ven Kon­sum beschrieb, Pierre Bour­dieu als sozia­le Distink­ti­on ana­ly­sier­te und Erich Fromm zur exis­ten­zi­el­len Fra­ge von Haben oder Sein ver­dich­te­te, mani­fes­tiert sich heu­te in der stil­len Selbst­sa­bo­ta­ge der Mittelschichten.


Es gehört zu den merk­wür­digs­ten Para­do­xien des öko­no­mi­schen Lebens, dass stei­gen­de Ein­kom­men nicht zwangs­läu­fig zu wach­sen­dem Wohl­stand füh­ren. Der Mecha­nis­mus, der hier am Werk ist, trägt den tech­ni­schen Namen Lebens­stil-Infla­ti­on, im anglo­ame­ri­ka­ni­schen Raum als Life­style Creep bekannt. Gemeint ist die Ten­denz, Ein­kom­mens­zu­wäch­se voll­stän­dig in höhe­ren Kon­sum zu über­füh­ren, statt sie dem Ver­mö­gens­auf­bau zuzu­füh­ren. Die Gehalts­er­hö­hung ver­schwin­det in der grö­ße­ren Woh­nung, dem geleas­ten Fahr­zeug, den häu­fi­ge­ren Restau­rant­be­su­chen. Was ges­tern Luxus war, wird heu­te zur Selbstverständlichkeit.

Die Ver­hal­tens­öko­no­mie hat empi­risch gut doku­men­tiert, dass fünf­zig bis sieb­zig Pro­zent aller Ein­kom­mens­zu­wäch­se unmit­tel­bar kon­su­miert wer­den. Die Spar­quo­te bleibt dabei kon­stant oder sinkt sogar. Es ent­steht eine eigen­tüm­li­che Tret­müh­le, in der objek­tiv bes­se­re mate­ri­el­le Ver­hält­nis­se kei­ne grö­ße­re finan­zi­el­le Sicher­heit her­vor­brin­gen. Die Abhän­gig­keit vom lau­fen­den Ein­kom­men bleibt bestehen, nur auf höhe­rem Niveau.

Was die psy­cho­lo­gi­sche Öko­no­mik als hedo­ni­sche Adapt­a­ti­on beschreibt – die schnel­le Gewöh­nung an ver­bes­ser­te Umstän­de mit ent­spre­chen­der Neu­ka­li­brie­rung der Ansprü­che –, hat tie­fe­re sozio­lo­gi­sche Wur­zeln. Thor­stein Veblen hat­te sie bereits 1899 in sei­ner Theo­ry of the Lei­su­re Class frei­ge­legt. Sei­ne Ana­ly­se des demons­tra­ti­ven Kon­sums zeigt, dass Aus­ga­ben nicht pri­mär der Bedürf­nis­be­frie­di­gung die­nen, son­dern der Signa­li­sie­rung sozia­ler Posi­ti­on. Die Lei­su­re Class, Veblens Begriff für die wohl­ha­ben­den Schich­ten, demons­triert ihren Sta­tus durch offen­sicht­li­che Ver­schwen­dung: Konsum,…