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Warum Euroclear vor dem EU-Plan zur Nutzung eingefrorener russischer Vermögenswerte warnt – und weshalb die Bedenken berechtigt sind
Die Europäische Kommission plant, eingefrorene russische Zentralbankvermögenswerte als Sicherheit für ein milliardenschweres Darlehen an die Ukraine zu nutzen. Euroclear, der belgische Zentralverwahrer des Großteils dieser Gelder, bezeichnet die Konstruktion als »sehr fragil« – und trifft damit einen Nerv. Denn der vermeintlich elegante Finanzierungsmechanismus birgt rechtliche Unsicherheiten, marktökonomische Risiken und politische Verwerfungen, die weit über den unmittelbaren Anlassfall hinausreichen.
Die Ausgangslage
In der Europäischen Union sind russische Zentralbankvermögenswerte in Höhe von rund 190 Milliarden Euro eingefroren, der Großteil davon – etwa 185 Milliarden Euro – liegt bei Euroclear in Brüssel. Diese Vermögenswerte wurden nach dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 immobilisiert, dürfen aber nach geltendem Völkerrecht nicht ohne Weiteres konfisziert werden. Die EU nutzt bislang lediglich die anfallenden Zinserträge – jährlich zwischen 2,5 und 3 Milliarden Euro – zur Unterstützung Kiews.
Der Finanzbedarf der Ukraine übersteigt diese Mittel jedoch bei Weitem. Der Internationale Währungsfonds schätzt allein den Haushaltsbedarf für 2026 und 2027 auf rund 52 Milliarden Euro, hinzu kommen geschätzte 80 Milliarden Euro für Verteidigung und Munition. Nach dem Rückzug der USA aus der direkten Hilfe lastet der Großteil dieser Bürde auf europäischen Schultern.
Das Modell des Reparationskredits
Die EU-Kommission unter Ursula von der Leyen hat im Dezember 2025 einen konkreten Vorschlag vorgelegt: Ein sogenannter »Reparationskredit« soll bis zu 90 Milliarden Euro für die Ukraine mobilisieren. Die eingefrorenen russischen Vermögenswerte dienen dabei als Sicherheit – formal würden sie in zinslose, maßgeschneiderte EU-Anleihen umgewandelt, ohne dass eine direkte Enteignung stattfindet.
Der Rückzahlungsmechanismus im Detail
Der entscheidende Punkt der Konstruktion: Die Ukraine müsste das Darlehen nicht aus ihrem regulären Staatshaushalt bedienen. Formal handelt es sich zwar um einen Kredit, doch die Rückzahlungspflicht entsteht erst, wenn Russland nach Kriegsende Reparationszahlungen an die Ukraine leistet – etwa im Rahmen eines Friedensvertrags oder auf Grundlage internationaler Gerichtsurteile.
Der vorgesehene Ablauf wäre folgender: Russland zahlt Reparationen an die Ukraine. Die Ukraine verwendet diese Mittel, um das EU-Darlehen zu tilgen. Parallel dazu gibt die EU die eingefrorenen russischen Zentralbankgelder schrittweise frei, weil Russlands Verbindlichkeiten damit als beglichen gelten. Am Ende des Prozesses hätte Russland faktisch für den Wiederaufbau der Ukraine bezahlt, ohne dass die ukrainische Volkswirtschaft oder die EU-Haushalte dauerhaft belastet würden.
Die Warnung Eurocears
Euroclear-Chefin Valérie Urbain hat in einem Schreiben an die EU-Kommission unmissverständlich Stellung bezogen: Die vorgeschlagene Konstruktion sei »sehr fragil« und berge »erhebliche rechtliche, finanzielle und reputative Risiken«. Die Zwangsinvestition in zinslose Schuldtitel könne von Russland und Drittstaaten als de-facto-Enteignung interpretiert werden – mit weitreichenden Konsequenzen.
Rechtliche Dimension
Es existiert kein völkerrechtlicher Präzedenzfall für eine solche Maßnahme. Russland hat bereits angekündigt, jede Form der Nutzung seiner Vermögenswerte gerichtlich anzufechten. Ein sowjetisch-belgisches Investitionsschutzabkommen eröffnet Moskau den Weg zu Schiedsverfahren. Im Erfolgsfall stünde Belgien – und damit der europäische Steuerzahler – in der Haftung für Milliardenforderungen.
Marktökonomische Risiken
Euroclear warnt vor einem möglichen Exodus ausländischer Investoren. Wenn die …
