|
Getting your Trinity Audio player ready...
|
Die deutschen Kreditinstitute verkürzen ihre Zeitfenster für Sanierungsprozesse drastisch. Was das für krisengeschüttelte Unternehmen bedeutet – und warum proaktives Handeln zur Überlebensfrage wird.
Die Zeiten, in denen Banken ihren notleidenden Kreditnehmern großzügige Sanierungsfristen einräumten, neigen sich dem Ende zu. Was Insolvenzverwalter und Restrukturierungsberater seit Monaten beobachten, verdichtet sich zu einem klaren Muster: Die Finanzierer entscheiden schneller, fordern früher Alternativen ein und begleiten Sanierungswege mit merklich geringerer Bereitschaft als noch vor wenigen Jahren.
Maximilian Pluta, Managing Partner der gleichnamigen Insolvenzkanzlei, bringt in einem Gespräch mit Finance TV die veränderte Lage auf den Punkt: Die wirtschaftlichen und politischen Unsicherheiten wirken sich derart massiv auf Unternehmensplanungen aus, dass Banken ihre eigenen Risikokalkulationen anpassen. Wo früher ein Sanierungskonzept über mehrere Jahre angelegt werden konnte, verlangen Finanzierer heute in kürzeren Abständen Fortschrittsberichte – und vor allem: vorbereitete Ausstiegsszenarien.
Das Ende der langen Leine
Die Mechanik dahinter ist nachvollziehbar. Banken, selbst unter regulatorischem Druck und mit begrenzter Risikobereitschaft, können sich in einem volatilen wirtschaftlichen Umfeld keine unbefristeten Sanierungsbegleitungen mehr leisten. Der Begriff der „letzten Ausfahrt” – also des alternativen Szenarios für den Fall, dass die Restrukturierung scheitert – wird deutlich früher im Prozess relevant als in der Vergangenheit.
Für Unternehmen in der Krise bedeutet das eine fundamentale Verschiebung der Anforderungen. Eine fundierte Unternehmensplanung, die mindestens zwei Jahre auf Monatsbasis abdeckt, ist nicht mehr Kür, sondern Pflicht. Nur auf dieser Grundlage lassen sich überhaupt seriöse Gespräche über Sanierungsoptionen führen. Wer ohne belastbare Zahlen in Bankgespräche geht, verspielt Vertrauen.
Proaktivität als Vertrauenswährung
Pluta empfiehlt Unternehmern daher ein Umdenken in der Kommunikationsstrategie. Statt abzuwarten, bis Finanzierer nach Alternativen fragen, sollten Geschäftsführungen von sich aus signalisieren, dass sie in mehreren Szenarien denken. Der proaktive Hinweis auf vorbereitete Optionen – sei es eine außergerichtliche Sanierung, ein M&A‑Prozess, ein StaRUG-Verfahren oder eine Eigenverwaltung – schafft bei Banken jenes Vertrauen, das im Krisenfall über Fortführung oder Abwicklung entscheiden kann.
Die Frequenz, in der Sanierungsfortschritte überprüft werden müssen, hat sich dabei spürbar erhöht. Was früher quartalsweise genügte, erfordert heute monatliche oder gar laufende Kontrollen, ob das Unternehmen noch auf dem geplanten Sanierungspfad operiert.
Das StaRUG-Fenster: Timing ist alles
Unter den verfügbaren Instrumenten hat das Unternehmensstabilisierungs- und ‑restrukturierungsgesetz (StaRUG) seit seiner Einführung 2021 an Bedeutung gewonnen. Es ermöglicht eine gerichtlich unterstützte Restrukturierung außerhalb des Insolvenzverfahrens, sofern eine drohende Zahlungsunfähigkeit – praktisch meist im Zeitfenster von 13 bis 24 Monaten – festgestellt wird.
Das Verfahren eignet sich vor allem für Finanzierungsthemen: Schuldenschnitte, Prolongationen von Krediten, die Neuordnung der Kapitalstruktur. Voraussetzung ist allerdings, dass mindestens 75 Prozent der betroffenen Gläubiger dem Restrukturierungsplan zustimmen und das zugrundeliegende Problem durch die Maßnahme tatsächlich beseitigt wird.
Der Haken: Wer zu lange zögert und in den Zwölf-Monats-Horizont einer negativen Fortbestehensprognose gerät, riskiert das Eintreten klassischer Insolvenzgründe. Das StaRUG-Fenster schließt sich dann, bevor es genutzt werden konnte. Hinzu kommt die Erwartung eines Unternehmerbeitrags – wer alle finanziellen Reserven bereits aufgebraucht hat, kann diesen nicht mehr leisten und verliert eine wesentliche Verhandlungsposition.
Keine Entspannung in Sicht
Die Prognose für die kommenden Jahre fällt nüchtern aus. Pluta erwartet, dass die Zahl der Insolvenzen 2026 nicht unter das Niveau von 2025 sinken wird. Die wirtschaftlichen Aussichten bleiben trübe, die Transformationsanforderungen in vielen Branchen bestehen fort, und die Zinswende hat die Finanzierungskosten strukturell erhöht.
Für Unternehmer in angespannter Lage ergibt sich daraus eine klare Handlungsanweisung: frühzeitig Optionen prüfen, Szenarien vorbereiten, Kommunikation mit Finanzierern nicht scheuen. Die Bereitschaft der Banken, lange Sanierungswege zu begleiten, ist gesunken. Wer von dieser Entwicklung überrollt wird, hat das Spiel oft schon verloren, bevor es richtig begonnen hat.
