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Können Algorithmen die Weisheit legendärer Investoren wie Warren Buffett nachbilden? Eine neue Studie zeigt, wie Sprachmodelle zu virtuellen Investment-Gurus werden – mit beeindruckenden, aber auch fragwürdigen Ergebnissen.
Die Vorstellung klingt verlockend: Man nehme die Anlagestrategien der größten Investment-Legenden aller Zeiten, übertrage sie in einen Algorithmus und lasse eine künstliche Intelligenz die Börsenentscheidungen treffen. Genau diesen Ansatz verfolgt eine aktuelle Studie mit sogenannten GuruAgents – prompt-gesteuerten Large Language Models, die entwickelt wurden, um die Philosophien von Warren Buffett, Benjamin Graham und anderen Investoren-Ikonen systematisch zu emulieren.
Der Versuch, Weisheit zu kodifizieren
Das Forschungsteam stand vor einer grundlegenden Herausforderung: Wie übersetzt man die oft qualitativen, erfahrungsbasierten Anlagestrategien legendärer Investoren in deterministische, reproduzierbare Regeln? Die Lösung lag in einem dreistufigen Framework. Zunächst erhielt jeder Agent eine rollenbasierte Persona, konstruiert aus den Kernprinzipien und kanonischen Zitaten des jeweiligen Investors. Warren Buffetts Fokus auf qualitativ hochwertige Unternehmen und langfristiges Halten wurde ebenso kodifiziert wie Benjamin Grahams Value-Investing-Prinzipien oder Joseph Piotroskis signalgesteuerte Checkliste.
Ausgestattet mit Finanzwerkzeugen zur Berechnung standardisierter Kennzahlen – von Liquiditätskennziffern über Rentabilitätsmetriken bis zu Z‑Scores – durchlaufen die Agenten eine feste Abfolge von Schritten: Datensammlung, Bewertung, Portfolio-Konstruktion. Das Versprechen: Gleiche Eingaben führen immer zu gleichen Ergebnissen.
Beeindruckende Zahlen, berechtigte Zweifel
Im Backtest mit den Bestandteilen des NASDAQ-100-Index zwischen dem vierten Quartal 2023 und dem zweiten Quartal 2025 lieferte der Warren Buffett GuruAgent eine jährliche Wachstumsrate von 42,2 Prozent – ein Ergebnis, das die Benchmarks deutlich übertraf. Auch der Piotroski-Agent erreichte mit 30,9 Prozent beachtliche Renditen. Verhaltensunterschiede zwischen den Agenten spiegelten tatsächlich ihre jeweiligen Philosophien wider: konzentrierte Portfolios mit geringem Umschlag beim Buffett-Agent, hohe Handelsaktivität beim signalgetriebenen Piotroski-Modell.
Doch bei solchen Zahlen ist Vorsicht geboten. Backtests sind notorisch anfällig für Verzerrungen, und die Testperiode war nicht nur außergewöhnlich kurz, sondern auch stark vom Tech-Sektor geprägt – eine Phase, in der bestimmte Strategien naturgemäß begünstigt wurden. Die Frage bleibt: Wie würden diese Agenten in Bärenmärkten, während Finanzkrisen oder in völlig anderen Marktumgebungen agieren?
Die Grenzen maschineller Weisheit
Hier offenbart sich das fundamentale Problem des Ansatzes: Investment-Gurus wie Warren Buffett treffen ihre Entscheidungen nicht ausschließlich nach schematischen Regeln. Ihre Expertise beruht auf jahrzehntelanger Erfahrung, intuitivem Verständnis für Geschäftsmodelle, der Fähigkeit zu kreativer Anpassung und nicht zuletzt auf implizitem Wissen, das nie schriftlich fixiert wurde. Kann ein Sprachmodell, so fortgeschritten es auch sein mag, diese Tiefe wirklich erfassen?
Die Studie konzentriert sich auf Reproduzierbarkeit und quantifizierbare Metriken – vernachlässigt aber die systematische Prüfung, wie nah die KI-Agenten tatsächlich an der originalen Philosophie agieren. Was würde der virtuelle Buffett in ethischen Dilemmata entscheiden? Wie würde er auf völlig unerwartete Marktentwicklungen reagieren? Menschliche Gurus passen ihre Strategien situativ und kreativ an; deterministische Pipelines drohen, zu starr zu bleiben.
Ein Versprechen mit Vorbehalt
Die GuruAgents-Studie eröffnet zweifellos einen faszinierenden Weg für automatisiertes systematisches Investieren. Sie zeigt, dass Prompt Engineering ein vielversprechender Mechanismus sein kann, um qualitative Anlagestrategien zu operationalisieren. Doch zwischen einem beeindruckenden Backtest und verlässlicher Real-World-Performance klafft oft eine Lücke.
Die wahre Bewährungsprobe steht noch aus: Langzeittests über verschiedene Marktzyklen, strengere Validierung der philosophischen Tiefe und vor allem der Nachweis, dass diese Agenten nicht einfach an spezifische Marktphasen überangepasst sind. Bis dahin bleibt die künstliche Intelligenz bestenfalls ein talentierter Schüler der großen Meister – nicht ihr Ersatz.