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Die Plei­te der Signa-Grup­pe hat eine Bran­chen­kri­se sicht­bar gemacht, die weit über Öster­reich hin­aus­reicht. Was als Ein­zel­fall eines über­schul­de­ten Immo­bi­li­en­im­pe­ri­ums begann, ent­puppt sich als Sym­ptom sys­te­mi­scher Ver­wer­fun­gen, die den gesam­ten deutsch­spra­chi­gen Immo­bi­li­en­markt erfas­sen. Zudem las­sen sich wie­der­keh­ren­de Mus­ter iden­ti­fi­zie­ren, die für sys­te­mi­sche Immo­bi­li­en­kri­sen cha­rak­te­ris­tisch sind. 


Die Insol­venz der Signa-Hol­ding und das damit ver­bun­de­ne Ende des Immo­bi­li­en­im­pe­ri­ums von René Ben­ko mar­kie­ren mehr als nur den Kol­laps eines über­di­men­sio­nier­ten Unter­neh­mens. Sie ste­hen sym­bo­lisch für das Ende einer Ära, in der bil­li­ges Geld und spe­ku­la­ti­ve Geschäfts­mo­del­le den Immo­bi­li­en­sek­tor domi­nier­ten. Was heu­te als “Ben­ko-Kri­se” bezeich­net wird, ist in Wahr­heit das Ergeb­nis struk­tu­rel­ler Fehl­ent­wick­lun­gen, die sich über Jah­re auf­ge­baut haben.

Die öster­rei­chi­sche Diagnose

Eine aktu­el­le Bran­chen­ana­ly­se von 200 öster­rei­chi­schen Immo­bi­li­en­un­ter­neh­men offen­bart das Aus­maß der Ver­wer­fun­gen: 64 Gesell­schaf­ten kön­nen ihre Kre­dit­zin­sen nicht mehr voll­stän­dig bedie­nen, 119 ste­hen mit aus­ge­lau­fe­nen Finan­zie­run­gen da. Das Trans­ak­ti­ons­vo­lu­men ist seit 2021 um 70 Pro­zent ein­ge­bro­chen, wäh­rend die Ban­ken ihre Sanie­rungs- und Restruk­tu­rie­rungs­ab­tei­lun­gen mitt­ler­wei­le zur Steue­rung “fast aller” Immo­bi­li­en­kre­di­te ein­set­zen müssen.

Die­se Zah­len zeich­nen das Bild einer Bran­che im Über­le­bens­kampf. Kre­di­te wer­den nur noch für sechs bis zwölf Mona­te ver­län­gert, und das zu ver­schärf­ten Bedin­gun­gen. Höhe­re Sicher­hei­ten, per­sön­li­che Haf­tun­gen und nota­ri­el­le Aner­kennt­nis­se sind zur Regel gewor­den. 30 Pro­zent der Unter­neh­men konn­ten nur durch fri­sches Inves­to­ren­geld ihre Finan­zie­rung retten.

Sys­te­mi­sche Ursa­chen statt Einzelversagen

Die Ver­su­chung, die Kri­se allein René Ben­ko und sei­ner Signa-Grup­pe zuzu­schrei­ben, greift zu kurz. Die eigent­li­chen Ursa­chen lie­gen tie­fer und rei­chen weit über Öster­reich hin­aus. Jah­re­lan­ge Nied­rig­zins­po­li­tik hat eine Bran­che her­vor­ge­bracht, die auf per­ma­nen­te Wert­stei­ge­run­gen und bil­li­ge Refi­nan­zie­rung ange­wie­sen war. Hohe Fremd­ka­pi­tal­quo­ten, kur­ze Kre­dit­lauf­zei­ten und kom­ple­xe Finan­zie­rungs­struk­tu­ren wur­den zum Normalfall.

Die abrup­te Zins­wen­de seit 2022 hat die­se Mecha­nis­men zum Kol­laps gebracht. Was bei Signa spek­ta­ku­lär schei­ter­te, droht sich nun als Domi­no­ef­fekt durch den gesam­ten Sek­tor fort­zu­set­zen. Die Bran­che hängt am Tropf der Ban­ken, die ihrer­seits unter dem Druck der Euro­päi­schen Zen­tral­bank ste­hen, ihre Risi­ko­ex­po­sure zu reduzieren.

Deut­sche Parallelen

Die Dia­gno­se einer sys­te­mi­schen Immo­bi­li­en­kri­se gilt auch für Deutsch­land. Hier hin­ter­ließ Ben­ko sicht­ba­re Spu­ren: Der unvoll­ende­te Elb­tower in Ham­burg, die sto­cken­den Pro­jek­te am Her­mann­platz in Ber­lin und Mil­li­ar­den­aus­fäl­le bei deut­schen Kre­dit­ge­bern von Lan­des­ban­ken bis zu Ver­si­che­rungs­kon­zer­nen. Deut­sche Inves­to­ren sit­zen auf hohen For­de­rungs­aus­fäl­len, wäh­rend Stadt­ent­wick­lungs­pro­jek­te in der Schwe­be hängen.

Doch auch hier sind es nicht nur die direk­ten Signa-Schä­den, die beun­ru­hi­gen. Die Zahl der Bau­ge­neh­mi­gun­gen ist 2024 dra­ma­tisch zurück­ge­gan­gen, Finan­zie­run­gen wer­den restrik­ti­ver ver­ge­ben, und das Ver­trau­en in spe­ku­la­ti­ve Geschäfts­mo­del­le ist erschüt­tert. Beson­ders im Gewer­be­be­reich zeich­nen sich wei­te­re Plei­ten ab, wäh­rend die Ban­ken­bran­che die Ent­wick­lung “mit Sor­ge” beobachtet.

Das Ende einer Ära und die Bankenfrage

Finanz­ex­per­ten pro­gnos­ti­zie­ren allein für Öster­reich rund 20 Plei­ten zwi­schen dem vier­ten Quar­tal 2025 und dem ers­ten Quar­tal 2026. Die­se Zah­len dürf­ten nur die Spit­ze des Eis­bergs dar­stel­len. In Deutsch­land könn­ten die Aus­wir­kun­gen auf die Lan­des­ban­ken noch gra­vie­ren­der sein, da die­se Insti­tu­te auf­grund ihrer Grö­ße und ihres Geschäfts­mo­dells beson­ders expo­niert sind.

Die Immo­bi­li­en­bran­che erlebt das Ende der Hoch­ver­schul­dungs- und Bil­lig­zins-Logik. Ban­ken fah­ren auf Ver­schleiß, Unter­neh­men ver­lie­ren an Sub­stanz, und neue Inves­to­ren agie­ren hoch­se­lek­tiv. Für die Lan­des­ban­ken stellt sich dabei die exis­ten­zi­el­le Fra­ge, wie sie ihre his­to­risch gewach­se­nen Immo­bi­li­en­port­fo­li­os abwi­ckeln kön­nen, ohne dabei selbst in Schief­la­ge zu gera­ten. Ihre staat­li­che oder staats­na­he Struk­tur macht sie zwar sta­bi­ler als pri­va­te Insti­tu­te, aber auch weni­ger fle­xi­bel beim Krisenmanagement.

Die zyni­sche Wen­dung “Dan­ke, Ben­ko” mag den Frust der Bran­che zum Aus­druck brin­gen, ver­schlei­ert aber die eigent­li­chen Ursa­chen der Kri­se. Ben­ko und sei­ne Signa-Grup­pe ste­hen nicht für ein iso­lier­tes Ver­sa­gen, son­dern für die extre­me Aus­prä­gung eines weit ver­brei­te­ten Geschäfts­mo­dells. Ihr Kol­laps hat ledig­lich die struk­tu­rel­len Schwä­chen eines gan­zen Sek­tors sicht­bar gemacht.

Die kom­men­den Mona­te wer­den zei­gen, ob es bei einer “bran­chen­wei­ten Berei­ni­gung” bleibt oder ob aus der Immo­bi­li­en­kri­se ein sys­te­mi­sches Ban­ken­ri­si­ko erwächst. Klar ist bereits jetzt: Die Ära des bil­li­gen Gel­des und der spe­ku­la­ti­ven Immo­bi­li­en­fi­nan­zie­rung ist unwi­der­ruf­lich zu Ende.


Quel­len:

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Kre­dit­in­sti­tu­te sehen kein Ende der Immobilienkrise


Wie­der­keh­ren­de Mus­ter bei sys­te­mi­schen Immobilienkrisen 

Typi­sche Aus­wir­kun­gen bei einer Immobilienkrise:

  • Stopp der Nach­fra­ge nach Immo­bi­li­en, plötz­li­cher Preisrückgang
  • Finan­zi­el­le Ver­lus­te für Ver­käu­fer und Besit­zer (beson­ders bei hoher Schuldenlast)
  • Erschwer­te Finanzierung/​Bewertung: Anschluss­fi­nan­zie­run­gen wer­den teu­rer oder nicht mehr möglich
  • Anstieg der Zwangs­ver­stei­ge­run­gen und Panikverkäufe
  • Rück­gang der Bau­tä­tig­keit, nega­ti­ve Effek­te auf Bauwirtschaft
  • Gerin­ge­re Ren­ta­bi­li­tät und stei­gen­der Moder­ni­sie­rungs­druck für Kapitalanleger
  • Markt­be­ru­hi­gung, wenn Über­be­wer­tun­gen abge­baut wer­den und sich Preise/​mieten wie­der annähern

Wie­der­keh­ren­de Muster:

  • Kri­sen ent­ste­hen meist, wenn meh­re­re Fak­to­ren kom­bi­niert auf­tre­ten: locke­re Kre­dit­ver­ga­be PLUS rasant stei­gen­de Prei­se PLUS wirt­schaft­li­cher Schock (z.B. Zins­wen­de, plötz­li­cher Angebotszuwachs).
  • Warn­si­gna­le fin­den sich im Aus­ein­an­der­drif­ten von Prei­sen und rea­len Einkommen/​Mieten und einer Ent­kopp­lung von Nach­fra­ge und Angebot.
  • In Deutsch­land wir­ken strik­te­re Bank­re­geln und sta­bi­le mitt­le­re Schul­den­quo­te als dämp­fen­de Fak­to­ren, den­noch besteht regio­na­les Bla­sen­ri­si­ko bei schnell wach­sen­den oder sehr knap­pen Märkten. 
  • Hin­zu kommt noch die sich beschleu­ni­gen­de wirt­schaft­li­che Kri­se, die immer mehr Bran­chen und Unter­neh­men erfasst und zu Arbeits­platz­ver­lus­ten und damit zu rapi­den sin­ken­den Ein­kom­men füh­ren wird. Ganz zu schwei­gen von der sich deut­lich ver­schlech­tern­den Haus­halts­la­ge der Kom­mu­nen, was Inves­ti­tio­nen in den Woh­nungs­bau und in Infra­struk­tur erheb­lich erschwert. 

Das alles wird tie­fe Spu­ren in den Bilan­zen der Lan­des­ban­ken, Spar­kas­sen und Volks­ban­ken hin­ter­las­sen. Nach der Kri­se wird erneut über die Rol­le der Lan­des­ban­ken als Beschleu­ni­ger der Ent­wick­lung zu reden sein.

Die­se Mus­ter fin­den sich in ähn­li­cher Form in fast allen his­to­ri­schen Immo­bi­li­en­kri­sen – etwa in den USA ab 2007 und Spa­ni­en nach 2008.