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Sie insze­nier­ten sich als Revo­lu­tio­nä­re der Finanz­welt, ver­spra­chen Dis­rup­ti­on und demo­kra­ti­sier­ten Zugang. Doch die ver­spro­che­ne Revo­lu­ti­on ist weit­ge­hend aus­ge­blie­ben. Die Geschich­te vie­ler Finanz-Influen­cer wirft Fra­gen auf über das Ver­hält­nis von Anspruch und Wirk­lich­keit, von Insze­nie­rung und Sub­stanz – und über die Fol­gen für eine gan­ze Branche.


Die Fin­tech-Revo­lu­ti­on soll­te alles ver­än­dern. Jun­ge, dyna­mi­sche Akteu­re ver­spra­chen, die eta­blier­te Finanz­welt her­aus­zu­for­dern, Zugangs­bar­rie­ren abzu­bau­en und Men­schen einen neu­en Weg zu Finanz­wis­sen zu eröff­nen. In locke­rer Anspra­che, mit Social-Media-Prä­senz und digi­ta­len For­ma­ten prä­sen­tier­ten sich die soge­nann­ten Fin­fluen­cer als moder­ne Ver­mitt­ler von Finanz­the­men. Doch eine nüch­ter­ne Bestands­auf­nah­me offen­bart erheb­li­che Dis­kre­pan­zen zwi­schen Anspruch und Realität.

Reich­wei­te ersetzt kei­ne Expertise

Ein zen­tra­les Pro­blem liegt in der Struk­tur des Influen­cer-Geschäfts­mo­dells selbst: Reich­wei­te und Auf­merk­sam­keit wer­den zum pri­mä­ren Erfolgs­kri­te­ri­um, wäh­rend fach­li­che Qua­li­fi­ka­ti­on in den Hin­ter­grund tre­ten kann. Die media­le Prä­senz sug­ge­riert Kom­pe­tenz, die nicht zwangs­läu­fig vor­han­den sein muss.

Die empi­ri­schen Befun­de sind ernüch­ternd: Stu­di­en zei­gen, dass über die Hälf­te der Anla­ge­tipps von Fin­fluen­cern schlech­ter abschnei­det als der Markt. Die Bun­des­an­stalt für Finanz­dienst­leis­tungs­auf­sicht (BaFin) und Ver­brau­cher­schüt­zer wei­sen wie­der­holt auf die Risi­ken die­ser Form von Social-Media-Finanz­in­for­ma­ti­on hin. Vie­le die­ser Akteu­re ver­fü­gen nicht über eine regu­lier­te Zulas­sung als Anla­ge­be­ra­ter und agie­ren in recht­li­chen Grauzonen.

Die Fol­ge: Ins­be­son­de­re jün­ge­re Nut­zer tref­fen mög­li­cher­wei­se Anla­ge­ent­schei­dun­gen auf Basis von Emp­feh­lun­gen, hin­ter denen weder fun­dier­te Aus­bil­dung noch regu­la­to­ri­sche Ver­ant­wor­tung ste­hen. Der Fokus liegt oft auf der Gene­rie­rung von Auf­merk­sam­keit und Reich­wei­te – weni­ger auf der Ver­mitt­lung fun­dier­ten Finanzwissens.

Das Authen­ti­zi­täts­di­lem­ma

Influen­cer befin­den sich in einem struk­tu­rel­len Dilem­ma: Sie müs­sen authen­tisch wir­ken, um Ver­trau­en auf­zu­bau­en, gleich­zei­tig aber ihre Inhal­te mone­ta­ri­sie­ren, um wirt­schaft­lich bestehen zu kön­nen. Die­ses Span­nungs­feld – in der For­schung als „craf­ted authen­ti­ci­ty” dis­ku­tiert – kann zu Glaub­wür­dig­keits­pro­ble­men führen.

Wenn kom­mer­zi­el­le Inter­es­sen sicht­bar wer­den, stellt sich die Fra­ge nach der Unab­hän­gig­keit der prä­sen­tier­ten Inhal­te. Was als nied­rig­schwel­li­ger Zugang zu Finanz­wis­sen kon­zi­piert sein mag, kann fak­tisch zu einem Mar­ke­ting­ka­nal wer­den, bei dem die Inter­es­sen der Fol­lower gegen­über den wirt­schaft­li­chen Inter­es­sen der Influen­cer in den Hin­ter­grund treten.

Vom Revo­lu­tio­när zum Repräsentanten

Bemer­kens­wert ist die Kar­rie­re­ent­wick­lung man­cher eins­ti­ger Fin­tech-Prot­ago­nis­ten. Akteu­re, die sich ursprüng­lich als Her­aus­for­de­rer eta­blier­ter Struk­tu­ren posi­tio­nier­ten, fin­den sich heu­te nicht sel­ten bei eben jenen Insti­tu­tio­nen wie­der, die sie zuvor kri­ti­sier­ten. Die Posi­tio­nen tra­gen oft Titel wie “Head of Digi­tal Inno­va­ti­on”, “Chief Evan­ge­list” oder “Seni­or Advi­sor Digi­tal Trans­for­ma­ti­on” – Bezeich­nun­gen, die stra­te­gi­sche Bedeu­tung suggerieren.

Es stellt sich die Fra­ge, inwie­weit die­se Rol­len ech­te Füh­rungs­ver­ant­wor­tung und Ent­schei­dungs­kom­pe­tenz beinhal­ten oder pri­mär reprä­sen­ta­ti­ven und mar­ke­ting­ori­en­tier­ten Cha­rak­ter haben. Die Insti­tu­tio­nen kön­nen sich durch sol­che Posi­tio­nen ein pro­gres­si­ves Image ver­lei­hen, wäh­rend die ehe­ma­li­gen Kri­ti­ker Berufs­si­cher­heit und Sta­tus­ge­winn erhalten.

Die­se Ent­wick­lung lässt ver­schie­de­ne Inter­pre­ta­tio­nen zu: Mög­li­cher­wei­se han­delt es sich um eine prag­ma­ti­sche Anpas­sung an Markt­rea­li­tä­ten, nach­dem sich dis­rup­ti­ve Ansät­ze als schwie­ri­ger umsetz­bar erwie­sen haben als ursprüng­lich ange­nom­men. Die eige­ne Bedeu­tung und das Poten­zi­al für grund­le­gen­de Ver­än­de­run­gen könn­ten über­schätzt wor­den sein. Um beruf­li­che Per­spek­ti­ven zu sichern, erfolgt die Inte­gra­ti­on in bestehen­de Struk­tu­ren – wäh­rend gleich­zei­tig ver­sucht wird, ein pro­gres­si­ves Image aufrechtzuerhalten.

Alter­na­tiv könn­te die revo­lu­tio­nä­re Selbst­dar­stel­lung von Beginn an auch als stra­te­gi­sches Instru­ment zur Gene­rie­rung von Auf­merk­sam­keit und zur Siche­rung per­sön­li­cher Kar­rie­re­vor­tei­le gedient haben, unab­hän­gig von der tat­säch­li­chen Absicht oder Rea­li­sier­bar­keit fun­da­men­ta­ler Veränderungen.

In bei­den Inter­pre­ta­tio­nen zeigt sich eine Dis­kre­panz zwi­schen öffent­li­chem Anspruch und rea­li­sier­ter Wirklichkeit.

Die Fol­gen für Ver­trau­en und Branche

Die Kon­se­quen­zen die­ser Ent­wick­lun­gen tra­gen nicht pri­mär die Akteu­re selbst, son­dern die Nut­zer ihrer Inhal­te und die Bran­che ins­ge­samt. Anle­ger, die Emp­feh­lun­gen ohne aus­rei­chen­de Infor­ma­ti­ons­grund­la­ge fol­gen. Ver­brau­cher, die mög­li­cher­wei­se zu ris­kan­ten Finanz­ent­schei­dun­gen ver­lei­tet wer­den. Eine Fin­tech-Sze­ne, deren Repu­ta­ti­on unter man­geln­der Sub­stanz ein­zel­ner sicht­ba­rer Akteu­re lei­den kann.

Die deut­sche Fin­tech-Sze­ne zeigt trotz anfäng­li­cher Inno­va­ti­ons­ver­spre­chen eine durch­wach­se­ne Bilanz. Dort, wo viel Selbst­in­sze­nie­rung im Raum steht, kann der tat­säch­li­che Mehr­wert dahin­ter zurück­blei­ben. Das führt zu einem Image­pro­blem, das seriö­se Akteu­re mit betrifft.

Ein Sys­tem mit Vertrauensdefizit

Die Wir­kung vie­ler Influen­cer im Finanz­be­reich ist kri­tisch zu hin­ter­fra­gen. Es besteht das Risi­ko, dass durch irre­füh­ren­de oder wenig fun­dier­te Emp­feh­lun­gen lang­fris­tig das Ver­trau­en in Finanz­be­ra­tung ins­ge­samt unter­gra­ben wird. Was als Alter­na­ti­ve zur eta­blier­ten Finanz­welt antre­ten woll­te, repro­du­ziert teil­wei­se deren pro­ble­ma­ti­sche Mecha­nis­men: Intrans­pa­renz, poten­zi­el­le Inter­es­sen­kon­flik­te und die Nut­zung von Informationsasymmetrien.

Der tat­säch­li­che Mehr­wert – sowohl für die Bran­che als auch für die Anle­ger – bleibt viel­fach begrenzt. Was sich als Revo­lu­ti­on ankün­dig­te, hat zu einer neu­en Form der Selbst­dar­stel­lung geführt, deren prak­ti­scher Nut­zen hin­ter den Erwar­tun­gen zurückbleibt.

Die ver­spro­che­ne Fin­tech-Revo­lu­ti­on ist in ihrer radi­ka­len Form weit­ge­hend aus­ge­blie­ben. An ihre Stel­le ist ein Phä­no­men getre­ten, bei dem Insze­nie­rung und tat­säch­li­che Sub­stanz aus­ein­an­der­klaf­fen – mit Fol­gen für das Ver­trau­en in eine gesam­te Bran­che und für die finan­zi­el­le Ent­schei­dungs­fin­dung vie­ler Menschen.


Quel­len:

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