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Ein Ver­gleich von Balan­ced Score­card und Bankstil-Framework

Wäh­rend die einen auf Kenn­zah­len schwö­ren und die ande­ren auf Authen­ti­zi­tät set­zen, ste­hen Ban­ken vor einer fun­da­men­ta­len Fra­ge: Braucht erfolg­rei­ches Stra­te­gie­ma­nage­ment mess­ba­re Stan­dards oder indi­vi­du­el­le Refle­xi­on? Ein Blick auf zwei unter­schied­li­che, aber mög­li­cher­wei­se kom­ple­men­tä­re Ansät­ze zeigt, war­um die Ant­wort kom­ple­xer ist als gedacht.


In den Chef­eta­gen deut­scher Ban­ken herrscht ein stil­ler Kon­flikt zwi­schen zwei Wel­ten des Stra­te­gie­ma­nage­ments. Auf der einen Sei­te ste­hen die Ver­fech­ter der Balan­ced Score­card mit ihren kla­ren KPIs und mess­ba­ren Ziel­vor­ga­ben. Auf der ande­ren Sei­te Kon­zep­te wie das Bank­stil-Frame­work, die Authen­ti­zi­tät und kon­tex­tu­el­le Fle­xi­bi­li­tät über stan­dar­di­sier­te Mess­bar­keit stellt. Bei­de Ansät­ze ver­spre­chen stra­te­gi­schen Erfolg – doch ihre Phi­lo­so­phien könn­ten unter­schied­li­cher nicht sein.

Das Ver­mächt­nis der Messbarkeit

Die Balan­ced Score­card von Kaplan und Nor­ton hat sich seit den 1990er Jah­ren als das Schwei­zer Taschen­mes­ser des Stra­te­gie­ma­nage­ments eta­bliert. Ihr Erfolgs­ge­heim­nis liegt in der ele­gan­ten Ein­fach­heit: Vier Per­spek­ti­ven – Finan­zen, Kun­den, inter­ne Pro­zes­se, Ler­nen und Ent­wick­lung – über­set­zen kom­ple­xe Stra­te­gien in hand­hab­ba­re Kenn­zah­len. Was sich mes­sen lässt, lässt sich steu­ern, so das Credo.

Für vie­le Ban­ken wur­de die BSC zum Navi­ga­ti­ons­in­stru­ment durch tur­bu­len­te Zei­ten. Sie schafft Klar­heit, wo Kom­ple­xi­tät herrscht, und ermög­licht Ver­glei­che, wo vor­her nur sub­jek­ti­ve Ein­schät­zun­gen exis­tier­ten. Die Logik ist bestechend: Wer sei­ne Kun­den­zu­frie­den­heit von 7,2 auf 8,1 Punk­te stei­gert und gleich­zei­tig die Pro­zess­kos­ten um 12 Pro­zent senkt, bewegt sich mess­bar in die rich­ti­ge Richtung.

Doch genau hier beginnt das Pro­blem. Die Fixie­rung auf Mess­bar­keit kann zur Beses­sen­heit wer­den. Ban­ken opti­mie­ren ihre Kenn­zah­len, ohne zu fra­gen, ob die­se noch zur stra­te­gi­schen Rea­li­tät pas­sen. Sie ver­glei­chen sich mit Wett­be­wer­bern, deren Geschäfts­mo­dell mög­li­cher­wei­se fun­da­men­tal anders ist. Die BSC droht zum Kor­sett zu wer­den, das Inno­va­ti­on erstickt und Authen­ti­zi­tät verhindert.

Die Rebel­li­on der Authentizität

Hier setzt das Bank­stil-Frame­work an – nicht als direk­ter Gegen­ent­wurf, son­dern als phi­lo­so­phi­sche Alter­na­ti­ve. Wäh­rend die BSC fragt “Wie mes­sen wir Erfolg?”, fragt das Bank­stil-Frame­work “Wer sind wir eigent­lich, und wer wol­len wir wer­den?” Die sie­ben Dimen­sio­nen von stra­te­gi­scher Klar­heit bis ope­ra­ti­ver Exzel­lenz fun­gie­ren nicht als Mess­lat­te, son­dern als Gesprächsleitfaden.

Die Grund­phi­lo­so­phie ist radi­kal anders: Wenn zehn Vor­stän­de die­sel­ben Bewer­tungs­fra­gen beant­wor­ten und zehn ver­schie­de­ne Ergeb­nis­se her­aus­kom­men, ist das kein Sys­tem­feh­ler, son­dern die größ­te Stär­ke des Ansat­zes. Eine baye­ri­sche Spar­kas­se inter­pre­tiert “digi­ta­len Rei­fe­grad” anders als ein Ham­bur­ger Fin­Tech – und bei­de kön­nen rich­tig liegen.

Die­se kon­tex­tu­el­le Fle­xi­bi­li­tät macht das Frame­work zu einem Instru­ment der stra­te­gi­schen Selbst­fin­dung. Es zwingt kei­ne Bank in ein vor­ge­fer­tig­tes Sche­ma, son­dern ermu­tigt zur Ent­wick­lung eines authen­ti­schen “Ori­gi­nal­stils”. Die Spar­kas­se im All­gäu kann ihre Zukunft in bewuss­ter Ent­schleu­ni­gung und per­sön­li­chen Bezie­hun­gen fin­den, wäh­rend eine Pri­vat­bank ihren Weg in hoch­spe­zia­li­sier­ten Nischen­lö­sun­gen sieht.

Zwei Phi­lo­so­phien, ein Dilemma

Der Unter­schied zwi­schen bei­den Ansät­zen ist mehr als metho­disch – er ist phi­lo­so­phisch. Die Balan­ced Score­card folgt dem Para­dig­ma der Stan­dar­di­sie­rung und Ver­gleich­bar­keit. Sie ver­traut dar­auf, dass sich stra­te­gi­scher Erfolg in uni­ver­sel­len Kate­go­rien mes­sen lässt. Das Bank­stil-Frame­work hin­ge­gen setzt auf Indi­vi­dua­li­sie­rung und Authen­ti­zi­tät. Es glaubt an die Kraft der Refle­xi­on und die Weis­heit kon­text­spe­zi­fi­scher Lösungen.

Die­se Phi­lo­so­phien spie­geln einen brei­te­ren Kon­flikt in der Manage­ment­leh­re wider. Auf der einen Sei­te steht die Sehn­sucht nach objek­ti­ven Stan­dards, die Sicher­heit und Ver­gleich­bar­keit ver­spre­chen. Auf der ande­ren Sei­te wächst die Erkennt­nis, dass kom­ple­xe Orga­ni­sa­tio­nen in dyna­mi­schen Umfel­dern mög­li­cher­wei­se indi­vi­du­el­le Ant­wor­ten brauchen.

Für Ban­ken ver­schärft sich die­ses Dilem­ma durch die aktu­el­len Her­aus­for­de­run­gen. Die Digi­ta­li­sie­rung ver­än­dert nicht nur Pro­zes­se, son­dern das gesam­te Geschäfts­ver­ständ­nis. Neue Wett­be­wer­ber mit völ­lig ande­ren Spiel­re­geln drän­gen auf den Markt. Kun­den­er­war­tun­gen wan­deln sich schnel­ler, als tra­di­tio­nel­le Stra­te­gie­zy­klen fol­gen kön­nen. In die­ser Situa­ti­on scheint die BSC manch­mal zu starr, das Bank­stil-Frame­work manch­mal zu unkonkret.

Die Syn­the­se als Ausweg

Doch was wäre, wenn die ver­meint­li­che Kon­kur­renz zwi­schen bei­den Ansät­zen ein Denk­feh­ler ist? Was, wenn sie sich nicht gegen­sei­tig aus­schlie­ßen, son­dern ergän­zen? Eine nähe­re Betrach­tung offen­bart fas­zi­nie­ren­de Mög­lich­kei­ten der Synthese.

Das Bank­stil-Frame­work könn­te als stra­te­gi­scher Kom­pass fun­gie­ren, der die grund­sätz­li­che Rich­tung weist. Es hilft Ban­ken dabei, ihre authen­ti­sche Posi­ti­on zu fin­den und ihre indi­vi­du­el­len Ent­wick­lungs­we­ge zu defi­nie­ren. Die Balan­ced Score­card wür­de dann als ope­ra­ti­ves Steue­rungs­in­stru­ment fol­gen, das die stra­te­gi­schen Ent­schei­dun­gen in mess­ba­re Zie­le und kon­trol­lier­ba­re Pro­zes­se übersetzt.

Stel­len wir uns eine Genos­sen­schafts­bank vor, die mit­hil­fe des Bank­stil-Frame­works erkennt, dass ihr “Ori­gi­nal­stil” in par­ti­zi­pa­ti­ven Ent­schei­dun­gen und Com­mu­ni­ty Ban­king liegt. Die­se stra­te­gi­sche Erkennt­nis lässt sich dann über eine spe­zi­ell ange­pass­te Balan­ced Score­card ope­ra­tio­na­li­sie­ren: Kenn­zah­len zur Mit­glie­der­be­tei­li­gung in der Lern- und Ent­wick­lungs­per­spek­ti­ve, Com­mu­ni­ty-Impact-Metri­ken in der Kun­den­per­spek­ti­ve, demo­kra­ti­sche Pro­zess­in­di­ka­to­ren in der inter­nen Prozessperspektive.

Die Zukunft liegt in der Integration

Die Ban­ken­bran­che steht vor Trans­for­ma­tio­nen, die sowohl stra­te­gi­sche Ori­en­tie­rung als auch ope­ra­ti­ve Exzel­lenz erfor­dern. Weder rei­ne Authen­ti­zi­tät ohne Mess­bar­keit noch blo­ße Kenn­zah­len­op­ti­mie­rung ohne stra­te­gi­sche Refle­xi­on wer­den den kom­ple­xen Her­aus­for­de­run­gen gerecht.

Die Zukunft des Ban­king-Stra­te­gie­ma­nage­ments liegt mög­li­cher­wei­se in der intel­li­gen­ten Kom­bi­na­ti­on bei­der Ansät­ze. Das Bank­stil-Frame­work kann hel­fen, den authen­ti­schen Ent­wick­lungs­pfad zu fin­den – die Balan­ced Score­card kann sicher­stel­len, dass die­ser Pfad auch erfolg­reich beschrit­ten wird.

Ban­ken, die bei­de Instru­men­te als kom­ple­men­tä­re Bau­stei­ne eines inte­grier­ten Stra­te­gie­ma­nage­ments ver­ste­hen, könn­ten einen ent­schei­den­den Vor­teil ent­wi­ckeln: die Fähig­keit, sowohl authen­tisch als auch exzel­lent zu sein. In einer Bran­che, die zwi­schen Tra­di­ti­on und Inno­va­ti­on, zwi­schen Ver­trau­en und Effi­zi­enz, zwi­schen loka­ler Ver­wur­ze­lung und glo­ba­ler Kon­kur­renz­fä­hig­keit navi­gie­ren muss, ist das mög­li­cher­wei­se die wert­volls­te Kom­pe­tenz von allen.

Der stil­le Kon­flikt in den Chef­eta­gen muss nicht in einem Sie­ger enden. Er könn­te in einer Syn­the­se mün­den, die das Bes­te aus bei­den Wel­ten ver­eint – und Ban­ken dabei hilft, ihren eige­nen, authen­ti­schen Weg zum mess­ba­ren Erfolg zu finden.