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Warum das zeb-Konzept analytisch überzeugt, aber die entscheidenden Fragen nicht stellt
Die genossenschaftliche FinanzGruppe (gFG) steht unter Druck. Margenerosion, regulatorische Verdichtung, der Vormarsch von Direktbanken und FinTechs sowie heterogene Prozesslandschaften fressen die Rentabilität, gerade bei jenen Primärbanken, die eine hohe Eigenfertigungstiefe bewahrt haben. Die Diagnose ist unstrittig. Umstritten ist die Therapie.
Das jüngst von zeb vorgelegte Konzept eines »neuen Betriebsmodells« (nBM) für die gFG[1]Genossenschaftsbanken – Das neue Betriebsmodell kommt präsentiert eine auf den ersten Blick schlüssige Antwort: Strategie (»Wozu«), Geschäftsmodell (»Was«) und Betriebsmodell (»Wie«) werden analytisch getrennt, um dann über standardisierte Prozesse und zentrale Plattformen Skaleneffekte zu heben. Der fünfstufige Transformationsrahmen – Ist-Analyse, Zielbild, Steuerungsstruktur, Umsetzung, Weiterentwicklung – wirkt pragmatisch und strukturiert.
Doch bei näherer Betrachtung zeigt sich: Das Papier ist ein sauber verpackter Standardisierungs- und Zentralisierungspitch, der die politische Ökonomie des Verbunds systematisch ausblendet. Es liefert das übliche Beratungsnarrativ, in dem Konsolidierung als quasi-naturgesetzliche Antwort auf Margendruck erscheint – ohne die Konfliktfelder zu benennen, an denen solche Vorhaben regelmäßig scheitern.
Was das zeb-Konzept verspricht
Bevor wir die Schwachstellen analysieren, lohnt ein genauerer Blick auf die Architektur des Ansatzes.
Das zeb-Konzept unterscheidet drei Ebenen, die analytisch getrennt und dann systematisch aufeinander bezogen werden sollen:
Die Strategie beantwortet die Frage nach dem »Wozu«: Welchen Zweck verfolgt die Bank, welche Rolle will sie in ihrem Markt spielen? Hier soll die einzelne Genossenschaftsbank ihre regionale Identität und ihre spezifische Positionierung definieren. Das Geschäftsmodell klärt das »Was«: Welche Produkte und Dienstleistungen bietet die Bank an, für welche Kundensegmente, über welche Kanäle? Das Betriebsmodell schließlich regelt das »Wie«: Welche Prozesse, Strukturen und Systeme werden eingesetzt, um das Geschäftsmodell umzusetzen?
Die Kernthese des zeb-Ansatzes lautet: Während Strategie und Geschäftsmodell institutsindividuell bleiben können, sollte das Betriebsmodell weitgehend standardisiert werden. Die einzelne Volksbank behält ihre strategische Autonomie – das »Wozu« bleibt regional geprägt –, aber die operative Umsetzung erfolgt über gemeinsame Plattformen, harmonisierte Prozesse und zentrale Dienstleister. Skaleneffekte entstehen dort, wo sie keine Differenzierung zerstören; Individualität bleibt dort erhalten, wo sie dem Kunden einen Mehrwert bietet.
Der Transformationsrahmen gliedert sich in fünf Schritte: Zunächst eine Ist-Analyse der bestehenden Prozesse und Strukturen, dann die Definition eines Zielbilds für das standardisierte Betriebsmodell, anschließend die Etablierung einer Steuerungsstruktur für die Umsetzung, die eigentliche Transformation und schließlich die kontinuierliche Weiterentwicklung. Der Rahmen suggeriert einen geordneten, planbaren Übergang vom heterogenen Ist-Zustand zum harmonisierten Ziel-Zustand.
So weit, so schlüssig. Das Konzept entspricht gängigen Operating-Model-Ansätzen und ist in sich konsistent. Die Diagnose – Margendruck, Regulierung, heterogene Prozesse – ist empirisch gut begründet. Und die Grundidee, zwischen strategischer Differenzierung und operativer Effizienz zu unterscheiden, ist theoretisch sauber.
Das Problem liegt nicht in der Logik des Konzepts, sondern in dem, was es ausblendet. Es ist ein Konzept für eine Zeit, die nicht mehr existiert.
Die blinden Flecken des Beratungsnarrativs
Die Machtfrage
Die genossenschaftliche FinanzGruppe ist kein Konzern mit Durchgriffsrechten, sondern ein loses Gefüge eigenständiger Rechtsträger. Jede substanzielle Kompetenzverschiebung Richtung Verbundplattformen erfordert entweder freiwillige Selbstbindung – historisch schwach ausgeprägt – oder faktischen Zwang durch regulatorische oder ökonomische Engpässe. Das zeb-Papier umgeht diese Frage elegant, indem es »Steuerung« als neutralen Koordinationsmechanismus rahmt, als sei sie nicht selbst Gegenstand des Verteilungskonflikts.
Wer entscheidet künftig, welche Prozesse zentral und welche regional bleiben? Nach welchen Kriterien? Mit welchen Kompensationsmechanismen für jene Institute, die Kompetenzen abgeben? Diese Fragen werden nicht gestellt, weil ihre Beantwortung das harmonische Zielbild trüben würde.
Das Identitätsproblem
Wenn das Betriebsmodell standardisiert wird und nur noch das »Wozu« regional variiert, stellt sich die Frage, worin die genossenschaftliche Differenzierung gegenüber einer ING oder N26 künftig noch bestehen soll. Die Behauptung »Kundennähe bleibt erhalten« ist eine Floskel, keine Analyse. Bei vielen Fusionsbanken ist von dieser Kundennähe wenig übrig – die lokale Präsenz wird zum Filialrest, die Entscheidungskompetenz wandert in regionale Cluster oder zentrale Einheiten.
Das genossenschaftliche Prinzip lebt von der Spannung zwischen Verbundlogik und lokaler Autonomie. Diese Spannung produktiv zu halten, erfordert präzise Grenzziehungen – nicht ihre Auflösung unter dem Effizienzparadigma.
Die Pfadabhängigkeit
Die Integration von Fiducia und GAD hat gezeigt, wie lange solche Harmonisierungen dauern und wie viel Reibungsverluste entstehen. Eine zusätzliche Betriebsmodell-Ebene birgt das Risiko, dass man weder die alten Strukturen los wird noch die neuen Skaleneffekte realisiert. Die bestehenden IT-Landschaften, Mitbestimmungsstrukturen, Betriebsratsthemen und die Frage des Personalabbaus werden im zeb-Papier nicht adressiert – obwohl ein konsequent standardisiertes nBM faktisch auf die Reduktion lokaler Fertigungstiefe hinausläuft.
Ohne harte Priorisierung – welche Prozesse wirklich zentral und lösungsfabrikentauglich, welche bewusst regional bleiben – und ohne klare Steuerungsstruktur ist das Risiko hoch, dass man eine zusätzliche Ebene einzieht, aber weder Skaleneffekte noch echte Anpassungsfähigkeit erreicht.
Das strukturelle Dilemma: Die Teile passen nicht mehr zusammen
Die Problematik, die das zeb-Papier zu lösen vorgibt, ist nicht neu. Sie wurzelt in einem fundamentalen Strukturproblem, das durch Betriebsmodell-Optimierung nicht zu beheben ist.
Regionalprinzip ohne Region
Der ursprüngliche Vorteil großer, dezentral organisierter Verbünde bestand in möglichst großen Entscheidungsspielräumen der einzelnen Sparkasse oder Volksbank in geschäftspolitischen Fragen. Das Regionalprinzip sorgte dafür, dass direkte Konkurrenz innerhalb des Verbunds vermieden wurde. Das Problem: Das Internet kennt kein Regionalprinzip. In der Plattformökonomie können Verbundorganisationen ihre ursprünglichen Vorzüge nicht mehr zur Geltung bringen.
Digitale Banken, die an keine Region und keinen Verbund gekettet sind, nehmen den ganzen Markt in den Blick. Die überregionalen Kundenbedürfnisse haben Priorität. Eine einzelne Volksbank kann auf Dauer nicht gegen N26, Google oder Apple bestehen – nicht weil sie zu klein ist, sondern weil ihr Koordinationssystem für eine a…
References
