Von Ralf Keuper

Kann man die Soft­ware­ent­wick­ler zum Kreis der Künst­ler zäh­len? Eini­ge, wie André Bajo­rat in Wie Ban­king Ban­ken neu defi­niert – Ban­king ist All­tag, Ban­ken sind es nicht!‘, sind die­ser Ansicht. Unter einem Künst­ler ver­ste­hen wohl die meis­ten von uns berühm­te Maler, Bild­hau­er, Musi­ker und Schrift­stel­ler – wie bei­spiels­wei­se, um ganz hoch zu grei­fen, Michel­an­ge­lo. Was die­sen Ver­gleich angeht, wird wohl kaum jemand den Künst­ler­be­griff auf Soft­ware­ent­wick­ler anwen­den. Ande­rer­seits stammt von Joseph Beuys der Satz “Jeder Mensch ist ein Künst­ler”.

Der Ein­fluss der Soft­ware­ent­wick­ler auf die ver­schie­de­nen Lebens­be­rei­che, die mitt­ler­wei­le fast alle von der Digi­ta­li­sie­rung erfasst wur­den, kann jeden­falls kaum über­schätzt wer­den. Inso­fern ist die Beschäf­ti­gung mit die­ser Berufs­grup­pe mehr als nötig. Einer der weni­gen mir bekann­ten Arti­kel, der sich dem The­ma gewid­met hat, ist Noti­zen zu einer Sozi­al­ge­schich­te der Pro­gram­mie­rung, der im Jahr 2014 in der Zeit­schrift Mer­kur erschien, mitt­ler­wei­le aber nicht mehr online zur Ver­fü­gung steht. Dar­in bemän­gel­te der Autor Arne Jan­ning, dass zwi­schen den Soft­ware­ent­wick­lern und dem Manage­ment noch immer ein Gra­ben, ein Ver­stän­di­gungs­pro­blem besteht. Wäh­rend die Ent­wick­ler, hemds­är­me­lig, lie­ber gleich pro­gram­mie­ren, als sich mit Model­len, Daten­bank­ar­chi­tek­tu­ren oder, ganz Meta, der Enter­pri­se Archi­tec­tu­re auf­zu­hal­ten, will das Manage­ment zunächst das Big Pic­tu­re fest­le­gen. Hier pral­len zwei Wel­ten aufeinander.

Bis­her konn­ten sich die Soft­ware­ent­wick­ler ihre (klei­nen) Frei­hei­ten bewah­ren; von der ansons­ten weit um sich grei­fen­den Auto­ma­ti­sie­rung und Tay­lo­ri­sie­rung blie­ben die Soft­ware­ent­wick­ler wei­test­ge­hend ver­schont. Aber – kön­nen Soft­ware­ent­wick­ler frei über das Pro­dukt ent­schei­den? Sind nicht auch sie an die Vor­ga­ben der Auf­trag­ge­ber gebun­den? (Frei­lich: auch ein Michel­an­ge­lo hat im Auf­trag gear­bei­tet) Sicher­lich liegt der Fall bei Start­ups anders. Hier kom­men die Vor­ga­ben vom Nut­zer. Ein Kunst­werk im eigent­li­chen Sin­ne ent­steht dabei jedoch nicht. Es han­delt sich nicht um Wer­ke, wel­che die Zei­ten über­dau­ern und eines Tages in den Muse­en zu sehen sind. Die Kunst­ge­schich­te muss wohl um kein wei­te­res Kapi­tel ergänzt werden. 

Trotz­dem hal­te ich es mitt­ler­wei­le für gerecht­fer­tigt, Soft­ware­ent­wick­ler im wei­te­ren Sin­ne zu den Künst­lern zu rech­nen (Kunst­hand­wer­ker); ähn­lich wie die Bau­meis­ter und Stein­met­ze, die an den gro­ßen Kathe­dra­len des Mit­tel­al­ters gewirkt haben.
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Haben die Goti­schen Kathe­dra­len und die Bank der Zukunft viel­leicht mehr Gemein­sam­kei­ten, als auf den ers­ten Blick ersichtlich?

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