Von Ralf Keuper
Sind die Klagen der Banken über das andauernde Niedrigzinsumfeld berechtigt? Wenn man die Berichte in den Medien verfolgt, so scheint die Sache klar. Die niedrigen Zinsen belasten die Bilanzen, die Gewinne schwinden, Gebührenerhöhungen, ja sogar Negativzinsen erscheinen als legitimes Mittel, um Schlimmeres abwenden zu können.
Dennoch gibt es einige Beiträge, die ein anderes Licht auf die Debatte werfen, wie
- Zinsgeschäft der Banken viel solider, als behauptet wird
- Negativzinsen: “Hier soll eine Drohkulisse aufgebaut werden”
- Wie stark leiden Banken wirklich unter den Niedrigzinsen?
In dem erst genannten Beitrag fasst Marc Opitz die Lage anhand der Zahlen der Deutschen Bundesbank zur G+V – Entwicklung der letzten Jahre zusammen. Demnach belegen die Daten, dass
- es den Banken im Ergebnis nach Steuern schon besser ging
- die Zinsüberschüsse 2014 höher ausfielen als kurz vor der Finanzkrise
- die Provisionsüberschüsse 2014 höher ausfielen als vor der Finanzkrise
- die Verwaltungskosten seit 2011 anstiegen
- das negative Ergebnis der sog. sonstigen Erträge und Aufwendungen von 2013 auf 2014 sich beinahe verdreifachte
Weiterhin hält Opitz fest:
Es ging den Banken schon deutlich besser, so viel steht fest. Gleichzeitig ist es aber auch wahr, dass nicht die EZB, oder genauer deren Zinspolitik, schuld an der Ertragslage unserer Kreditinstitute ist. Es ist schlicht unwahr, dass die Zinsmarge für die Banken kleiner wird. Einen Kostendruck aus dieser Richtung gibt es nicht, der an Kunden weitergegeben werden müsste.
Die Entwicklung im Hauptgeschäft der Banken (Zinsen und Provisionen) sieht sehr gut aus. Andere Bereiche des Bankengeschäfts müssen verbessert werden. Gleichzeitig sitzt der Ergebnisdruck im Nacken der Entscheider. Es ist sicherlich einfacher, höhere Gebühren einzuführen als das Unternehmen umzuorganisieren.
Ähnlich wie Opitz argumentiert Lars Gottwilk in Wie stark leiden die Banken unter den Niedrigzinsen?
Der Trend steigender Nettozinseinnahmen gilt nicht nur für die Großbanken. Alle Banken zusammen erwirtschafteten im Jahr 2010 338,9 Mrd. an Zinseinkünften. Dieser Wert fiel im Jahr 2013 auf 304 Mrd., steigt seitdem allerdings wieder an. Die endgültigen Daten für 2015 sind noch nicht veröffentlich. Man kann jedoch von Nettozinseinnahmen von 320 Mrd. ausgehen.
Auf die Frage, ob die Banken aufgrund der Tatsache, dass sie sich momentan günstig refinanzieren können, die Disposzinsen nicht senken müssten/könnten, antwortet Zacharias Sautner von der Frankfurt School of Finance:
Das geschieht nur sehr eingeschränkt und ist sicherlich verstörend. Wenn die Zentralbankzinsen steigen, werden die Zinsen von den Banken schnell angepasst, wenn sie aber sinken, wird das nur zögerlich weiter gegeben. Die Situation wird ausgenutzt – zum Schaden der Kunden. Natürlich muss man bei den Dispozinsen auch eine relativ große Risikoprämie einrechnen, weil die Ausfallraten höher sind. Aber ein ähnliches Verhalten kennen wir auch aus anderen Branchen, etwa bei Fluglinien: Die erhöhen ihre Preise, wenn der Ölpreis steigt, senken sie aber nicht wieder bei besserer Marktlage
So gesehen ist der Fall nicht so eindeutig, wie häufig berichtet bzw. dargestellt wird.