Von Ralf Keuper

Häu­fig wird mit “Inno­va­ti­on” ein Pro­dukt asso­zi­iert, das am Markt “ein­schlägt wie eine Bom­be”. Nichts ist danach – gefühlt – mehr so wie zuvor. Eine neue Zeit­rech­nung beginnt. Den Mit­be­wer­bern bleibt dann nichts ande­res übrig , als das Feld zu räu­men oder das über­le­ge­ne Pro­dukt zu kopie­ren bzw. zu adap­tie­ren. Für die­se Form einer Neue­rung hat sich der Begriff der “dis­rup­ti­ven Inno­va­ti­on” ein­ge­bür­gert. Die letz­te dis­rup­ti­ve Inno­va­ti­on im Ban­king war, so wird häu­fig gesagt, der Geld­au­to­mat.

Im Ver­gleich dazu besagt die Sys­tem­in­no­va­ti­on, dass (Massen-)Märkte am bes­ten durch eine geschick­te Kom­bi­na­ti­on meh­re­rer Kom­po­nen­ten erschlos­sen wer­den. Bru­no Weiss­haupt nennt als Bei­spiel dafür den iPod von Apple:

Hat man die Wahl, ist es bes­ser, den iPod im eige­nen Pro­dukt­port­fo­lio zu haben als den Chip für den iPod. Weil der iPod ein Bei­spiel dafür ist, was wir unter einer am Kun­den ori­en­tier­ten Anwen­dung ver­ste­hen, wie man Infra­struk­tu­ren des Han­dels – näm­lich Musik zu hören, wo und wann man will – und Infra­struk­tu­ren des Wis­sens – also Musik dank der pas­sen­den Soft­ware iTu­nes nach indi­vi­du­el­len Kri­te­ri­en zu fin­den und zu orga­ni­sie­ren – per­fekt mit­ein­an­der kop­peln kann. Weil der iPod ein Bei­spiel dafür ist, dass mit der ein­zel­nen Tech­no­lo­gie allei­ne, ob Hard- oder Soft­ware, noch gar nichts gewon­nen ist, son­dern dass es allei­ne auf die rich­ti­ge Kom­po­si­ti­on der rich­ti­gen Infra­struk­tu­ren zu inno­va­ti­ven Sys­te­men ankommt. (in: Sys­tem­in­no­va­ti­on. Die Welt neu entwerfen)

Über­tra­gen auf das Ban­king wür­de das bedeu­ten, dass der Anbie­ter den größ­ten oder pro­fi­ta­bels­ten Anteil am Markt erhält, dem es gelingt, die pas­sen­de Infra­struk­tur und Soft­ware zur Ver­fü­gung zu stel­len, mit denen die Kun­den ihre Bank­ge­schäf­te wo und wann sie wol­len erle­di­gen und nach ihren indi­vi­du­el­len Bedürf­nis­sen orga­ni­sie­ren kön­nen. Noch inno­va­ti­ver ist die Lösung aller­dings, wenn die Kun­den zur Erle­di­gung ihrer Bank­ge­schäf­te ihre bevor­zug­te vir­tu­el­le Umge­bung nicht ver­las­sen müs­sen. In die­sem Fall wären die Ban­king-Ser­vices inte­gra­ler Bestand­teil einer grö­ße­ren Platt­form, auf der auch ande­re Ser­vices ange­bo­ten wer­den, d.h. es käme zu kei­nem Medienbruch.

Unter den Fin­Tech-Start­ups kommt m.E. Hol­vi die­sem Ansatz am nächsten.

Hier­hin gehört m.E. in etwa auch das, was James Utter­back unter einem Domi­nan­ten Design ver­steht. Utter­back schreibt:

A domi­nant design embo­dies the requi­re­ments of many clas­ses of users of a par­ti­cu­lar pro­duct, even though it may not meet the needs of a par­ti­cu­lar class to quite the same ext­ent as would a cus­to­mi­zed design. Nor is a domi­nant design neces­s­a­ri­ly the one that embo­dies the most extre­me tech­ni­cal per­for­mance. It is a so-cal­led satis­fi­cer of many in terms of the inter­play of tech­ni­cal pos­si­bi­li­ties and mar­ket choices, ins­tead of an opti­mi­zer for a few. (in: Mas­te­ring the dyna­mics of innovation)

Es kommt nicht unge­fähr, dass die Unter­neh­men, die in den letz­ten Jah­ren die­sen Gedan­ken um kon­se­quen­tes­ten in die Pra­xis umge­setzt haben, von cha­ris­ma­ti­schen Per­sön­lich­kei­ten geführt wer­den, wie Apple mit Ste­ve Jobs, Goog­le mit Lar­ry Page, Ser­gey Brin und Eric Schmidt, face­book mit Mark Zucker­berg und Ama­zon mit Jeff Bezos. Hier liegt die Rich­tungs­ent­schei­dung in den Hän­den weni­ger Per­so­nen, manch­mal auch nur bei einer. Ähn­lich ver­hält es sich bei den Fin­Tech-Start­ups. In den Ban­ken sind an stra­te­gi­schen Ent­schei­dun­gen dage­gen weit­aus mehr Per­so­nen, Ebe­nen betei­ligt. Das ist ein Grund dafür, wes­halb die Ban­ken sich schwer tun, die pas­sen­de Ant­wort auf die Digi­ta­li­sie­rung und die neu­en Her­aus­for­de­rer zu fin­den. Statt­des­sen ver­har­ren sie in einer “Abwar­te­blo­cka­de”.

Utter­back rührt an den Kern des Pro­blems, wenn er schreibt:

Estab­lished firms also car­ry the bur­den of lar­ge invest­ments in peo­p­le, equip­ment, plant, mate­ri­als, and know­ledge, all of which are clo­se­ly lin­ked to the estab­lished tech­no­lo­gy. It takes a rare kind of lea­der­ship to shift resour­ces away from are­as whe­re one curr­ent­ly enjoys suc­cess to an area that is new and unpro­ven. (ebd.)

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