Von Ralf Keuper

Eine der Lek­tio­nen der Finanz­kri­se 2007/​2008 war, dass die bis dahin prak­ti­zier­te Ban­ken­auf­sicht nicht in der Lage war, sys­te­mi­sche Risi­ken früh­zei­tig zu erken­nen. Statt­des­sen hat­te die Über­wa­chung auf Ein­zel­in­sti­tuts­ebe­ne, die mikro­pru­den­zi­el­le Auf­sicht, den Vor­rang. Um nicht noch ein­mal auf dem fal­schen Fuss erwischt zu wer­den, beschlos­sen die Auf­sichts­be­hör­den und die Poli­tik, die Makro­pru­den­zi­el­le Auf­sicht einzuführen.

In ihrem Vor­trag Aktu­el­le Ent­wick­lun­gen in der makro­pru­den­zi­el­len Über­wa­chung erläu­tert Sabi­ne Lau­ten­schlä­ger den neu­en Arbeitsbegriff:

Vor der Finanz­kri­se beschäf­tig­te sich die Finanz­auf­sicht vor allem mit den ein­zel­nen Markt­ak­teu­ren oder ein­zel­nen Insti­tu­ten. Es galt, ver­ein­facht gesagt, die Devi­se: Geht es dem Ein­zel­in­sti­tut gut, geht es auch dem Sys­tem gut. Der Blick war auf die Mikroebe­ne gerich­tet; eine sys­te­ma­ti­sche Beob­ach­tung und Aus­wer­tung der Makro­ebe­ne erfolg­te zumin­dest auf natio­na­ler Ebe­ne nicht. Die makro­pru­den­zi­el­le Über­wa­chung soll nun genau das tun: Sie soll Ent­wick­lun­gen, die das Finanz­sys­tem gefähr­den kön­nen, früh­zei­tig iden­ti­fi­zie­ren und bewer­ten. .. Die makro­pru­den­zi­el­le Über­wa­chung soll aber nicht nur ana­ly­sie­ren und Gefah­ren für die Finanz­sta­bi­li­tät iden­ti­fi­zie­ren, son­dern auch die rele­van­ten Stel­len war­nen oder Maß­nah­men emp­feh­len, die Gefah­ren für die Funk­ti­ons­fä­hig­keit des Finanz­mark­tes ein­däm­men oder gar nicht ent­ste­hen lassen.

In ihrem Paper Makro­pru­den­zi­el­le Auf­sicht. Auf der Suche nach einem ganz­heit­li­chen Ansatz zur­Ver­mei­dung sys­te­mi­scher Risi­ken betont DB Rese­arch die Not­wen­dig­keit eines neu­en Vorgehens:

Zur Beur­tei­lung der Anfäl­lig­kei­ten des Finanz­sys­tems bedarf es einer ganz­heit­li­chen Betrach­tung der finan­zi­el­len Risi­ken. Die Bewer­tung gemein­sa­mer Expo­sures hängt in hohem Maße von der Qua­li­tät und Aktua­li­tät der zugrun­de geleg­ten Daten ab – etwa Daten zu Liqui­di­täts- und Fris­ten­in­kon­gru­en­zen sowie bilan­zi­el­len und außer­bi­lan­zi­el­len Risi­ken, ein­schließ­lich offe­ner Deri­va­te­po­si­tio­nen. Ins­be­son­de­re für das soge­nann­te Schat­ten­ban­ken­sys­tem stellt die Erhe­bung ent­spre­chen­der Daten nach wie vor ein Pro­blem dar. Zum Schat­ten­ban­ken­sys­tem zäh­len Unter­neh­men, die bank­ähn­li­chen Geschäfts­ak­ti­vi­tä­ten ver­fol­gen, wie Kre­dit­ver­ga­be oder Liqui­di­täts­trans­for­ma­ti­on, die aber nicht der Ban­ken­auf­sicht unter­ste­hen. Markt­in­fra­struk­tu­ren und ‑dienst­leis­ter, d.h. Zah­lungs­sys­te­me, Clea­ring- und Abrech­nungs­ge­sell­schaf­ten sowie zen­tra­le Gegen­par­tei­en, sind eben­falls von wesent­li­cher Bedeu­tung für die Funk­ti­ons­fä­hig­keit des Sys­tems und kön­nen sys­te­mi­schen Risi­ko­fak­to­ren aus­ge­setzt sein. Eine umfas­sen­de Bewer­tung der Schwach­stel­len im Finanz­sys­tem soll­te daher die Nicht­ban­ken-Finanz­in­sti­tu­te, aber auch die pri­va­ten Haus­hal­te und Unter­neh­men einschließen.

DB Rese­arch spricht einen wich­ti­gen Punkt an: Die Über­wa­chung des sog. Schat­ten­ban­ken­sys­tems. Führt man den Gedan­ken wei­ter, dann stellt sich die Fra­ge, ob die maktro­pru­den­zi­el­le Auf­sicht in ihrer jet­zi­gen Form noch in der Lage ist, die nöti­gen Daten zu beschaf­fen, um dar­aus die ver­schie­de­nen, häu­fig auf den ers­ten Blick ver­bor­ge­nen Abhän­gig­kei­ten zu Tage zu för­dern. Mit ande­ren Wor­ten: Hat die Ban­ken­auf­sicht über­haupt noch den Zugang zu den steue­rungs­re­le­van­ten Daten, wenn sich auf die Ban­ken als Lie­fe­ran­ten beschränkt? Sind die Ban­ken über­haupt noch die Clea­ring­stel­le der Wirt­schaft?

Wenn es zutref­fen soll­te, dass die sog. digi­ta­len Öko­sys­te­me heu­te über die meis­ten steue­rungs­re­le­ve­van­ten Daten ver­fü­gen, dann ist der Weg zu der ket­ze­ri­schen For­de­rung nicht mehr all­zu weit, die neu­en Clea­ring­stel­len in die Über­wa­chung ein­zu­be­zie­hen. Ob das aller­dings die Gefah­ren ban­nen wür­de, ist alles ande­re als sicher 😉

Jeden­falls brau­chen wir dafür ande­re Metho­den und Technologien/​Infrastrukturen. Ein Weg ist die Eta­blie­rung gemein­sam betrie­be­ner Data Cen­ter.

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