Von Ralf Keuper
Werden Banken demnächst unsichtbar, d.h. wird Banking nur noch ein Service unter vielen im digitalen Alltag der Menschen sein? KPMG hält das in Meet EVA. Your Enlightened Virtual Assistant and the future face of the Invisible Bank durchaus für möglich. Eine gute Übersicht der Kerngedanken liefert Jim Marous in The Invisible Bank of the Future.
Wichtigste Stilmittel der unsichtbaren Bank werden virtuelle Assistenten sein, die dem Nutzer quasi jeden Wunsch von den Augen ablesen können. Der Dialog mit virtuellen Assistenten wird selbstverständlich. Im Jahr 2030 wird sich, so die Vision von KPMG, eine Bank aus drei Komponenten/Schichten zusammensetzten:
- Platform
- Product
- Process
Eine Einteilung, die Ähnlichkeit mit der Drei-Schichten-Architektur in der Softwareentwicklung hat: Präsentationsschicht, Logikschicht und Datenhaltung. Vgl. dazu: Szenarien für das Banking der Zukunft.
Laut KPMG könnten wesentliche Funktionen einer heutigen Bank verschwinden, insbesondere an der Schnittstelle zum Kunden. Die Regie würden persönliche digitale (Sprach-)Assistenten wie Siri übernehmen. Wahrscheinlich wird der Platform-Layer von den großen Internetkonzernen wie Apple, Amazon und facebook betrieben. Die Banken würden ihre Aktivitäten auf den Product-Layer konzentrieren. Übrigens: Das Modell des unsichtbaren Banking wurde bereits vor drei Jahren von Miranda Hill von Wells Fargo in Banking on the customer experience: The future of connectivity in financial services und Credit Suisse in Keeping the wheels turning entworfen. Und nicht zu vergessen: Heinrich Fendt in Bankless Banking 2030 aus dem Jahr 2010. Darin räumte Fendt Personal Digital Assistants ein führende Rolle ein.
Die Technologien, um die Vision der unsichtbaren Bank Wirklichkeit werden zu lassen, stünden, so Marous, bereit: Künstliche Intelligenz, Cloud Services und (Open) APIs. Sie seien allerdings noch nicht zum Kern vorgedrungen; sie würden vorwiegend an der Peripherie eingesetzt.
Marous verschweigt nicht die Risiken, die beim Betreiben einer unsichtbaren Bank entstehen können. Nicht zu unterschätzen seien die regulatorischen Risiken. Wie managt man eine Vielzahl von Akteuren auf einer Plattform, die dazu noch unterschiedliche Technologien einsetzen? Wie verhindert man Systemrisiken, wie sie durch den Einsatz von Algorithmen entstehen können, man denke an die Flash-Crashs? Wer ist für das Risikomanagement zuständig, wer kümmert sich um die Technologierisiken, womit nicht nur Cyberrisiken gemeint sind? Vgl. dazu: Die Bank als digitale Plattform – Versuch einer Begriffsklärung.
Kann es sein, dass dafür wieder Banker bzw. die Institution Bank benötigt werden? Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Banken die Kontrolle, jedenfalls in bestimmten Bereichen wie im Risikomanagement, behalten oder zurückerobern werden.
Ganz unsichtbar wir das Banking dann doch nicht.