Von Ralf Keuper
In den Jah­ren unmit­tel­bar nach der Finanz­kri­se beherrsch­te die Fra­ge nach der Moral der Märk­te die öffent­li­che Dis­kus­si­on. All­ge­mei­ner Tenor war, dass bestimm­te Insti­tu­tio­nen, hier vor allem zahl­rei­che (Investment-)Banken, und deren Ver­tre­ter sich unmo­ra­lisch ver­hal­ten hät­ten. Her­vor­ste­chen­de Cha­rak­ter­merk­ma­le der han­deln­den Per­so­nen waren dem­zu­fol­ge Gier und Eigen­nutz. Nur die eige­nen Boni im Blick, ver­gaß man schnell bzw. igno­rier­te man die Aus­wir­kun­gen des eige­nen Tuns auf die all­ge­mei­ne Wohl­fahrt. Als dann eini­ge Ban­ken “geret­tet” wer­den muss­ten, mach­te der Spruch “Gewin­ne wer­den pri­va­ti­siert, Ver­lus­te dage­gen sozia­li­siert” die Run­de. Seit­dem steht der (Finanz-)Kapitalismus ein­mal mehr in sei­ner Geschich­te unter Recht­fer­ti­gungs­druck. For­de­run­gen nach einer neu­en Ethik, wel­che die Auf­ga­be hat, die unmo­ra­li­schen Ten­den­zen der Märk­te zu zügeln, wur­den laut. 
Vor die­sem Hin­ter­grund erscheint der Gedan­ke zunächst recht gewöh­nungs­be­dürf­tig, aus­ge­rech­net die Öko­no­mie zur Grund­la­ge einer neu­en Ethik zu machen. Genau das for­dert Mat­thi­as Wüh­le in sei­nem Buch Die Moral der Märk­te. War­um Ethik neu gedacht wer­den muss
Sei­ne The­se fasst Wüh­le in die Worte:

Soll­te die Ethik über­le­ben, dann nur, wenn sie von reli­giö­sen und meta­phy­si­schen Ele­men­ten der letz­ten Jahr­hun­der­te befreit und auf natur­wis­sen­schaft­li­che Grund­la­gen gestellt wird. Nach­dem die Wirt­schaft und somit auch die Öko­no­mie als die Theo­rie der Wirt­schaft einen rasan­ten Auf­stieg erlebt hat, stellt sich die Fra­ge, ob sie nicht mehr sein kann, als eine rei­ne Spar­ten­wis­sen­schaft. Ist nicht die Wirt­schaft die Leh­re von der Ord­nung und der Funk­ti­on einer Gesell­schaft? Ist eine gute Wirt­schaft nicht die not­wen­di­ge Vor­aus­set­zung für eine gute Gesell­schaft? Soll­te dies bejaht wer­den, dann liegt auch die Über­le­gung nahe, Öko­no­mie auch als Grund­la­ge der Ethik in Betracht zu zie­hen. Denn Ethik stellt die Begrün­dungs­in­stanz einer geord­ne­ten Gesell­schaft dar. 

Beson­ders geeig­net, sei­ne The­se zu unter­mau­ern, sind nach Wüh­le die Neue Insti­tu­tio­nen­öko­no­mie und die Spiel­theo­rie. Dane­ben greift Wüh­le eini­ge zen­tra­le Aus­sa­gen von Niklas Luh­mann über die Funk­ti­ons­wei­se der Wirt­schaft sowie Ele­men­te der Dis­kurs­theo­rie von Haber­mas auf. Eben­so fin­den Karl Pop­per und Karl Homann Erwähnung. 
Eini­gen­des Band ist die Annah­me der Selbst­durch­drin­gung der Moral in der Ökonomie:

Weil Öko­no­mie etwas ist, das nie­mand erfun­den und nie­mand geschaf­fen hat, son­dern aus sich selbst her­aus ent­stan­den ist, ist es – zumin­dest in der Theo­rie – vom Makel des Kon­struk­ti­ons­feh­lers befreit .. Hin­zu kommt: Ein Sys­tem selbst eta­blie­ren­der Regeln ist das ein­zi­ge Sys­tem, dass weder meta­phy­sisch noch dog­ma­tisch begrün­det wer­den muss, son­dern das sich allen durch sich selbst erklärt. … Hier­in, in der Selbst­durch­drin­gung der Öko­no­mie als Insti­tu­ti­on fin­det sich der ent­schei­den­de Anstoß einer Begrün­dung, war­um aus­ge­rech­net die Öko­no­mie am bes­ten dafür geeig­net ist, als Grund­la­ge einer Ethik zu die­nen. Die Selbst­durch­drin­gung der Moral ist dabei ein Phä­no­men, das durch die Spiel­theo­rie nach­ge­wie­sen wer­den kann. 

Das Prin­zip der Nut­zen­ma­xi­mie­rung, wie es im Modell des Homo Oeco­no­mic­us zum Aus­druck kommt, ist laut Wüh­le, trotz eini­ger kon­zep­tio­nel­ler Män­gel, oder bes­ser: Fehl­in­ter­pre­ta­tio­nen, noch immer geeig­net, das öko­no­mi­sche Han­deln der Men­schen zu erklä­ren, wie es u.a. Gary Becker in sei­nen Büchern und Arti­keln getan hat. 
Der Tren­nung der Wirt­schaft in eine Real- und Finanz­wirt­schaft kann Wüh­le nur wenig abge­win­nen. Die­ser (künst­li­che) Gegen­satz wur­de in der Ver­gan­gen­heit schon öfters kre­iert, um bestimm­te Berufs- und ethi­sche Grup­pen zu dif­fa­mie­ren. Hier der raff­gie­ri­ge Ban­kier bzw. Ban­ker, dort der im Schwei­ße sei­nes Ange­sichts hart arbei­ten­de mit­tel­stän­di­sche Unter­neh­mer oder Hand­wer­ker. Dass Finanz­märk­te nicht per se unmo­ra­lisch han­deln, lässt sich für Wüh­le u.a. am Bei­spiel des Social Inves­t­ing und/​oder der Mikro­kre­di­te bele­gen. Selbst die Spe­ku­la­ti­on auf den Roh­stoff­märk­ten sei unter dem Strich posi­tiv zu bewer­ten, da sie erst die Märk­te schafft bzw. am Leben hält, auf die die Pro­du­zen­ten für ihre Finan­zie­rung und den Waren­ab­satz ange­wie­sen sind. 
Sei­ner Argu­men­ta­ti­ons­li­nie fol­gend, hält Wüh­le die Unter­schei­dung Gute Ban­ken – Schlech­te Ban­ken für irre­füh­rend. Ethik­ban­ken bzw. Ethi­sche Invest­ment­fonds agie­ren häu­fig nicht weni­ger spe­ku­la­tiv oder her­kömm­lich als die “gewöhn­li­chen” Ban­ken. Zudem sei der Begriff Ethi­sche Bank bzw. Ethi­sches Invest­ment nicht klar defi­niert, so dass die Gren­zen hier oft flie­ßend ver­lau­fen, und in dem einen oder ande­ren Fall der Ver­dacht nahe liegt, dass hier Eti­ket­ten­schwin­del betrie­ben wird. Auch, was unter einem sinn­vol­len Invest­ment zu ver­ste­hen ist, bleibt unklar. Rei­nes Ethi­sches Ban­king blei­be auf einen Nischen­markt beschränkt. 
Die ers­ten ethi­schen Ban­ken waren in gewis­ser Hin­sicht die Spar­kas­sen- und Genos­sen­schafts­ban­ken, die es im 19. Jahr­hun­dert den “nor­ma­len” Bür­gern ermög­lich­ten, als mehr oder weni­ger gleich­be­rech­tig­te Part­ner am Wirt­schafts­le­ben teilzunehmen.
Damit die Öko­no­mie als Instanz einer neu­en Ethik fun­gie­ren kann, benö­tigt sie eine ent­spre­chen­de Akzep­tanz in der Bevöl­ke­rung. Die öko­no­mi­sche Bil­dung befin­det sich auf einem – gemes­sen an der Bedeu­tung die­ses Fachs für die Lebens­wirk­lich­keit der Men­schen – gerin­gen Niveau. Dem müs­se durch Bil­dungs­maß­nah­men in den Schu­len durch Ein­rich­tung eines Fachs Wirt­schaft und/​oder Ethik abge­hol­fen wer­den. Die Kri­tik an den Öko­no­men infol­ge der letz­ten Finanz­kri­se zei­ge, dass hier noch eini­ges zu tun ist. Künf­tig müs­se gelten: 

Gut ist, was auf öko­no­mi­schem Wege ent­stan­den ist. Denn das Pro­dukt der Öko­no­mie ver­eint alle mora­li­schen Wer­te in sich: Es ist glei­cher­ma­ßen fair, gerecht und ver­nünf­tig. Es ist das Ergeb­nis der Moral der Märk­te. Das Aner­ken­nen die­ses Grund­prin­zips durch die Gemein­schaft wird die Ethik der Öko­no­mie sein. Die­se Ethik wird eine uni­ver­sa­le, begründ­ba­re und durch­set­zungs­fä­hi­ge Ethik sein.

Kri­ti­sche Würdigung:
Wüh­le gelingt es, sei­ne The­se, wonach die Öko­no­mie als Grund­la­ge einer neu­en Ethik die­nen soll,  anhand ver­schie­de­ner Theo­rien und Pra­xis­bei­spie­le zu bele­gen. Die Argu­men­ta­ti­on ist kon­sis­tent und ins­ge­samt schlüssig. 
Die­ser Vor­zug ent­steht auch dadurch, dass eini­ge Theo­rien und Bei­spie­le, die der The­se des Autors ent­ge­gen­ste­hen, kaum bis gar nicht erwähnt wer­den, wenn wir jetzt von den “Klas­si­kern” wie dem Mar­xis­mus sowie den Posi­tio­nen von Shil­ler, Ulrich und Thie­le­mann ein­mal abse­hen wol­len. Die Kri­tik an der Öko­no­mie ist nicht neu und kei­nes­falls immer ein Fall von “Majes­täts­be­lei­di­gung”. All­zu häu­fig zeigt sich, dass auch Öko­no­men mit ihren Emp­feh­lun­gen und Pro­gno­sen dane­ben lie­gen. Es war aus­ge­rech­net Alex­an­der Rüs­tow, auf den die Wort­schöp­fung des Neo­li­be­ra­lis­mus zurück­geht, und der Adam Smith und sei­ne Nach­fol­ger bezich­tig­te, “Wirt­schafts­theo­lo­gie” zu betrei­ben. Und auch Karl Pop­per räum­te in sei­nem Buch Die offe­ne Gesell­schaft und ihre Fein­de eini­ge Defi­zi­te des Kapi­ta­lis­mus ein, indem er vom Para­do­xon der Frei­heit sprach. Pop­pers Schü­ler Hans Albert präg­te den Begriff des Modell­pla­to­nis­mus, um das häu­fi­ge Abglei­ten der Öko­no­men in eine Par­al­lel­welt, in selbst gestal­te Umwel­ten (Karl Weick) zu beschrei­ben. In ihrem Buch Struk­tu­rier­te Ver­ant­wor­tungs­lo­sig­keit – Berich­te aus der Ban­ken­welt nah­men die Autoren die spe­zi­el­len Prak­ti­ken und Denk­sti­le der Ban­ken­welt kri­tisch unter die Lupe. 

Die Wirt­schafts­theo­rie hat dazu ten­diert, sich nicht auf den Wert der Frei­hei­ten zu kon­zen­trie­ren, son­dern auf Nut­zen, Ein­kom­men und Wohl­stand. Die­se Ver­en­gung des Blick­win­kels hat zur Fol­ge, dass die vol­le Bedeu­tung des Markt­me­cha­nis­mus unter­schätzt wur­de, obwohl man der öko­no­mi­schen Zunft schwer­lich vor­wer­fen kann, sie habe die Märk­te nicht genug geprie­sen. Die Fra­ge ist jedoch nicht, wie­viel Lob gespen­det wur­de, son­dern aus wel­chen Grün­den. .. Der Vor­zug des Markt­sys­tems liegt nicht allein in sei­ner Fähig­keit begrün­det, effi­zi­en­te­re Maxi­mie­rungs­er­geb­nis­se zu erzie­len. 

Beson­ders kri­tisch mit der Ent­wick­lung in der Öko­no­mie der letz­ten Jah­re und Jahr­zehn­te set­zen sich u.a. der von Man­fred Hoef­le in die Dis­kus­si­on gebrach­te Mana­ge­ris­mus und Rana Forooh­ar in ihrem Buch “Makers and Takers. Der Auf­stieg des Finanz­we­sens und der Absturz der Real­wirt­schaft” aus­ein­an­der. Von dem erwähn­ten Hoef­le stammt der Auf­satz Ethik als Regu­la­tiv von Skan­da­len in der Öko­no­mie.  In sei­nem Buch Unter­neh­men als mora­li­sche Akteu­re hält Chris­ti­an Neu­häu­ser fest:

Dafür, Unter­neh­men den­noch als mora­li­sche Akteu­re auf­zu­fas­sen, spricht, dass sie Rechts­sub­jek­te sind und in man­chen Län­dern sogar straf­recht­lich belangt wer­den kön­nen. Außer­dem machen wir ihnen im öffent­li­chen Dis­kurs mora­li­sche Vor­wür­fe, und vor allem kön­nen sie selbst auf die­se Vor­wür­fe reagie­ren, sie ver­ste­hen also offen­sicht­lich die Spra­che der Moral. 

Die Behaup­tung, die Märk­te hät­ten sich von selbst, auf natür­lich Wei­se ent­wi­ckelt, wur­de bereits von Karl Pol­anyi in sei­nem Buch The Gre­at Trans­for­ma­ti­on. Poli­ti­sche und öko­no­mi­sche Ursprün­ge von Gesell­schaf­ten und Wirt­schafts­sys­te­men in Fra­ge gestellt, eben­so wie von Hans Küng in Welt­ethos für Welt­po­li­tik und Welt­wirt­schaft:
Von vie­len neo­li­be­ra­len Öko­no­men wird die zu Beginn der Moder­ne – im Zusam­men­hang des Ent­ste­hens der gro­ßen Natio­nal­staa­ten – sich durch­set­zen­de moder­ne Markt­wirt­schaft frei­lich als die selbst­ver­ständ­lichs­te Sache der Welt hin­ge­stellt, die sich ganz “natür­lich” so ent­wi­ckelt habe: als ob sich die loka­len Märk­te im Lauf der gesell­schaft­li­chen Moder­ni­sie­rung von sel­ber und weit­ge­hend kon­flikt­frei auf grö­ße­re Märk­te aus­ge­dehnt hätten. 

Doch gera­de dies stimmt his­to­risch nicht: … Die moder­ne Markt­wirt­schaft ent­wi­ckel­te sich also kei­nes­wegs von selbst, son­dern wur­de auch gegen Wider­stän­de poli­tisch durch­ge­setzt (Her­vor­he­bung im Originaltext) .. . 
Dass auch Ban­ken erfolg­reich sein kön­nen, die sich nicht an den übli­chen Ver­gü­tungs­struk­tu­ren der Bran­che ori­en­tie­ren, zeigt das Bei­spiel von Svens­ka Han­dels­ban­ken. Erwäh­nung ver­dient auch die Spar­da Bank Mün­chen mit ihrer Gemein­wohl­bi­lanz. 
Der Sit­ten­ver­fall im Bank­we­sen war Gegen­stand einer unge­hal­te­nen Rede von Lud­wig Poul­lain. Für den His­to­ri­ker Neill Fer­gu­son ver­kör­pert der Ban­kier Sig­mund War­burg die zeit­lo­se Phi­lo­so­phie der Hoch­fi­nanz im bes­ten Sin­ne

Ein Indus­trie­füh­rer, der mora­li­sche Grund­sät­ze mutig und unei­gen­nüt­zig ver­trat, war Bert­hold Beitz:

Erst spät wur­de bekannt, dass er 1942 bis 1944 in Polen Hun­der­ten von ver­folg­ten Juden das Leben geret­tet hat. Von der Holo­caust-Gedenk­stät­te Yad Vas­hem wur­de er dafür als “Gerech­ter unter den Völ­kern” geehrt.

Noch kurz vor sei­nem Lebens­en­de for­der­te Beitz einen Mora­li­schen Kapi­ta­lis­mus

Auf die Pro­ble­ma­tik, die Öko­no­mie als Begrün­dung für uni­ver­sa­lis­ti­sche Kon­zep­tio­nen, wie einer ver­bind­li­chen Ethik, her­an­zu­zie­hen, wei­sen u.a. Bernd Bie­vert und Josef Wie­land hin:

Damit eine for­ma­le Defi­ni­ti­on der Öko­no­mik über­haupt etwas spe­zi­fi­sches Öko­no­mi­sches erklä­ren kann, setzt sie immer schon eine inhalt­li­che Defi­ni­ti­on der Öko­no­mie vor­aus. .. Wenn alles Öko­no­mie ist, dann ist Öko­no­mie nicht. Nur durch Grenz­be­stim­mun­gen gewin­nen Gegen­stän­de ihr Spe­zi­fi­sches. Folgt man die­ser Argu­men­ta­ti­on, dann muss man wei­ter­hin über Regeln und Insti­tu­tio­nen nach­den­ken sowie dar­über, wie im Kon­flikt­fall zwi­schen den Gel­tungs­an­sprü­chen ver­schie­de­ner Ratio­na­li­täts­ty­pen ver­fah­ren und ent­schie­den wer­den soll. Hier liegt auch das eigent­li­che prak­ti­sche Pro­blem moder­ner Gesell­schaf­ten. Siegt in sol­chen Fäl­len die nor­ma­ti­ve Kraft der fak­ti­schen Macht der Öko­no­mie, oder gibt es einen sys­te­ma­ti­schen Ort, von wo aus die­ser Macht etwa aus ethi­schen Grün­den wirk­sam wider­spro­chen wer­den kann? (in: Sozi­al­phi­lo­so­phi­sche Grund­la­gen öko­no­mi­schen Handelns).

Der Ver­such, die Öko­no­mie zu einer all­um­fas­sen­den Theo­rie der Ethik zu machen, schei­tert nicht zuletzt an dem Gödel­schen Theo­rem, wonach kei­ne Theo­rie zugleich kon­sis­tent und voll­stän­dig sein kann. 
Nicht nur des­halb ist die Aussage: 

Gut ist, was auf öko­no­mi­schem Wege ent­stan­den ist. Denn das Pro­dukt der Öko­no­mie ver­eint alle mora­li­schen Wer­te in sich: Es ist glei­cher­ma­ßen fair, gerecht und vernünftig.

pro­ble­ma­tisch, zumal zir­ku­lär, oder anders: axio­ma­tisch argu­men­tiert wird. Aus den Zei­len spricht ein uni­ver­sa­lis­ti­scher Anspruch, der schnell in Dog­ma­tis­mus und Meta­phy­sik (“Wirt­schafts­theo­lo­gie”) umschlägt, und daher in die­ser Form, u.a. mit John Rawls zurück­zu­wei­sen ist:

Als umfas­sen­de mora­li­sche Idea­le sind Auto­no­mie und Indi­vi­dua­li­tät für eine poli­ti­sche Gerech­tig­keits­kon­zep­ti­on unge­eig­net. Die­se umfas­sen­den Idea­le wer­den daher trotz ihrer Bedeu­tung für das libe­ra­le Den­ken in den Theo­rien Kants und Mills über­zo­gen, wenn sie als ein­zi­ge ange­mes­se­ne Grund­la­ge für einen Ver­fas­sungs­staat dar­ge­stellt wer­den. So ver­stan­den wäre Libe­ra­lis­mus nicht anders als eine wei­te­re sek­tie­re­ri­sche Leh­re. (in: Die Idee des poli­ti­schen Liberalismus)

Kurz­um: Die Öko­no­mie kann nicht der Maß­stab zur Bewer­tung ihrer eige­nen Gül­tig­keit – noch dazu in ethi­schen oder mora­li­schen Fra­gen – sein. Das käme einer Gene­ral­ab­so­lu­ti­on, einer Immu­ni­sie­rung (Karl Pop­per), einer Anma­ßung von Wis­sen (F.A. von Hay­ek) und damit in letz­ter Kon­se­quenz einer Selbst­auf­he­bung gleich. 

Abschlie­ßen­de Bemerkung: 

Auch ange­sichts der auf­ge­führ­ten Gegen­ar­gu­men­te liest man das Buch Moral der Märk­te mit Gewinn, zumal es dem Autor, wie bereits erwähnt, gelingt, sei­ne Posi­ti­on mit einer schlüs­si­gen Argu­men­ta­ti­on zu bele­gen. Dass er dabei ande­re Posi­tio­nen nicht berück­sich­tigt, ist natür­lich und letzt­lich auch unum­gäng­lich, wenn man nicht die Absicht hat, eine Mono­gra­phie über meh­re­re hun­dert Sei­ten zu ver­fas­sen. Wüh­le weist an eini­gen Stel­len nach, dass der Markt, ent­ge­gen einer weit ver­brei­te­ten Ansicht, durch­aus zum Woh­le aller agie­ren kann – und das auch häu­fig macht. Inso­fern ist das Buch ein wich­ti­ger Bei­trag, der zu mehr Diver­si­tät in der Dis­kus­si­on um die Vor- und Nach­tei­le der Öko­no­mie bei­trägt. Ob die Öko­no­mie aller­dings das Zeug hat, die Grund­la­ge einer neu­en Ethik zu bil­den, darf indes bezwei­felt wer­den; wohl aber ver­fügt die Öko­no­mie über ethi­sche Eigen­schaf­ten, die ihr bis­her abge­spro­chen wur­den. Das in die­ser Form her­aus­ge­stellt zu haben, ist kein gerin­ges Ver­dienst des Autors. 

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