Obwohl die Zahl der Betrugsfälle, die mit Kryptowährungen begangen werden, stetig, eigentlich exponentiell, zunimmt, befindet sich die Forschung noch in den Kinderschuhen.
Bei der Beschreibung von Kryptowährungsbetrug beziehen sich Forscher oft auf traditionelle Finanzbetrügereien wie Ponzi-Schemata, Marktmanipulation und Pump-and-Dump-Schemata. Diese Arten von Betrug sind indes nicht neu – Charles Ponzi beging seinen gleichnamigen Betrug erstmals in den 1920er Jahren, als er hohe Renditen für Investitionen in Briefmarken versprach. Pump-and-Dump-Betrügereien haben auch den Aktienmarkt seit Jahrhunderten geplagt, so die Autorinnen und Autoren von Cryptocurrencies and future financial crime.
Neu ist hingegen, dass bei cybergestützten Straftaten durch den Einsatz von Kommunikations- und Informationstechnologie das Ausmaß und die Reichweite von Straftaten vergrößert wird. Ebenso haben sich die Umsetzungsmechanismen weiterentwickelt. “So gibt es beispielsweise erhebliche Parallelen zwischen ICOs und Börsengängen (Barnes, 2018; Baum, 2018), doch anstatt Aktien über eine Börse anzubieten, werden bei ICOs Mittel über die Blockchain beschafft. Darüber hinaus haben intelligente Verträge die Art und Weise verändert, wie Ponzi-Schemata ausgeführt werden können (Bartoletti et al., 2017; Chen et al., 2018a, 2018b, 2019a, 2019b, 2019c, 2019d). Insgesamt weist die Literatur jedoch auf erhebliche Ähnlichkeiten zwischen Kryptowährungsbetrug und traditionellem Finanzbetrug hin (oder zumindest wird dies in der akademischen Vorstellung so dargestellt)”.
Ein weiterer Befund: “In dem Maße, in dem die Verwendung von Kryptowährungen zum Mainstream wird, können neue, vom Internet abhängige Betrugsmethoden entstehen. Ein besonderes Potenzial dafür besteht in der weiteren Entwicklung der dezentralen Finanzindustrie (Schär, 2021)”.
Die Autorinnen und Autoren stellen in ihrer Literaturrecherche darüber hinaus eine fehlende Konsistenz der Definitionen der verschiedenen in der Literatur genannten Betrugsarten fest. Der Konsens über diese Definitionen könne zur gemeinsamen Entwicklung von Standards im Kryptowährungssektor führen, was die Prävention zukünftiger Betrugsfälle erleichtern würde
Es bestehe die Notwendigkeit einer besseren sektorübergreifenden Zusammenarbeit bei der Festlegung von Prioritäten für die künftige Erforschung und Eindämmung von Betrug mit Kryptowährungen.
“Obwohl sich viele Anleger des betrügerischen Charakters dieser Systeme und der Tatsache, dass sie in vielen Ländern illegal sind, durchaus bewusst sind, ziehen Schneeballsysteme nach wie vor beachtliche Geldbeträge an”, so die Autorin und die Autoren von Dissecting Ponzi schemes on Ethereum: Identification, analysis, and impact. Ein Grund dafür ist das blinde Vertrauen der Anlegerinnen und Anleger in Smart Contracts. “Die Tatsache, dass der Code von intelligenten Verträgen öffentlich und unveränderlich ist und ihre Ausführung automatisch erzwungen wird, kann bei den Anlegern ein falsches Gefühl der Vertrauenswürdigkeit hervorrufen. Dies kann dazu führen, dass die Anleger glauben, dass der Eigentümer keinen Vorteil aus ihrem Geld ziehen kann, dass das System ewig läuft und dass sie eine faire Wahrscheinlichkeit haben, die erklärten Interessen zu erlangen”.